Redaktionsschluss 4. Januar 2008
Nachruf auf Erhard Frommhold
Nachruf auf Hedwig Bartkowiak
Antiquaria-Preis 2008
Wechsel in der Spitze der Hans-Meid-Stiftung
150 Jahre E. A. Seemann
Vierzig Jahre Hertenstein-Presse
Stamperia Valdonega Verona – Giovanni und Martino Mardersteig
Bernhard Jäger – Buch- und Druckkunst im Klingspor Museum Offenbach
Geschenk einer Schöffer-Bibel an das Gutenberg-Museum
Ein österreichischer Exlibriskünstler in Thüringen
Bruce Rogers – Amerikanische Buchgestaltung und Typographie des 20.
Jahrhunderts
Tatjana-Mawrina-Bibliothek
Vademecum Antiquariat 2008
Das neue Wissenschaftsportal b2i
Eine Thomas-Mann-Sammlung für die Berliner Staatsbibliothek
Sammeln um 1900 – eine Ausstellung der Kunsthalle Bremen
Bibliographie der Sammlung Tusculum
Multa paucis
Die Schatzkammern der Universitätsbibliothek Gießen
Mitteldeutsches Jahrbuch für Kultur und Geschichte
Königliche Gartenbibliothek Herrenhausen
Lessings Fabeln in der Breitkopf-Fraktur
Puschkins Schneesturm in der Edition M & M
Pariser An- und Einsichten
Bibliographie der Sammlung Tusculum
Nachruf auf Erhard Frommhold. Schon
am 17. Oktober 2007 starb der verdienstvolle Cheflektor des Dresdner Verlages
der Kunst Erhard Frommhold im Alter von 79 Jahren in Dresden an Herzversagen.
Der am 8. Mai 1928 in Altenburg geborene gelernte Klempner studierte nach
Kriegsdienst in der Wehrmacht und Gefangenschaft von 1947 bis 1951 in Jena
Soziologie, Kunstgeschichte und Germanistik, um 1952 in den neugegründeten
Verlag der Kunst einzutreten. Hier verbrachte er sein gesamtes Berufsleben bis
zum Eintritt in den Ruhestand 1991 als Lektor und Cheflektor. Maßgeblich wirkte
er an der Profilierung des Verlages zum führenden Unternehmen für Kunst und
Kunstgeschichte in der DDR mit. Zu seinen Verdiensten gehörte die Mitbegründung
der Taschenbuchreihe Fundus sowie die Publikation zahlreicher Standardwerke zur
europäischen Moderne wie zur Kunst der DDR. Erinnert sei nur an Monographien zu
El Lissitzky, John Heartfield und zur Künstlergruppe „Die Brücke“ sowie an die
vielen Bücher von Fritz Löffler und Wilhelm Fraenger. Im Laufe der Jahre
erlangte der Verlag für rund 100 Titel die Prämiierung „Schönstes Buch“ des
Jahres. Frommholds Promotion über Otto Nagel erschien 1974 in Buchform im
Henschelverlag Berlin. Im Heft 155 der MARGINALIEN schrieb er anläßlich des 100.
Geburtstages des Kunsthistorikers Fritz Löffler über die Höhen und Tiefen seines
Berufslebens. 1969 war er wegen der Herausgabe der neuartigen Dokumentation
Kunst im Widerstand und des prächtig gestalteten Dresdner Bilderbuches von
Ernst Hassebrauk vom Amt des Cheflektors abgelöst worden, um allerdings 1974
neu berufen zu werden. Den Nachlaß hat bereits die Stiftung Archiv der Akademie
der Künste Berlin übernommen.

Nachruf auf Hedwig Bartkowiak. Hedwig Bartkowiak, geboren am 7. August
1910 in Stuttgar, siedelte 1985 von Berlin nach Hamburg über und begann sich
gemeinsam mit ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter um die Förderung der
zeitgenössischen Buchkunst zu engagieren. Bei der Herausgabe des Kompendiums
zeitgenössischer Buchkunst war sie federführend. Diese Publikation, in der
Buchkünstler und Buchkünstlerinnen aus aller Welt ihre Werke vorstellen
konnten, erschien von 1988 bis 2005 in 27 umfangreichen Bänden. Um die in dieser
Publikation veröffentlichten Werke möglichst vielen Menschen nahezubringen,
organisierte das Familienunternehmen Bartkowiak über 100
Buchkunst-Präsentationen in Deutschland, dem Europäischen Ausland und in den
USA. Ein weiterer Unternehmenszweig war die Ausrichtung kleiner und größerer
Buchkunstmessen, wie zum Beispiel der Norddeutschen Handpressenmesse, die alle
zwei Jahre im Museum der Arbeit in Hamburg stattfindet. Als 1998 der
gemeinnützige Verein BuchDruckKunst e.V. Hamburg gegründet wurde, war Hedwig
Bartkowiak das erste Gründungsmitglied. An allen Projekten des
Familienunternehmens und auch an denen des Vereins wirkte sie bis zu ihrem
zweiundneunzigsten Lebensjahr aktiv mit. Dabei konnte sie ihre vielfältigen
organisatorischen Fähigkeiten, ihren ausgebildeten Sinn für Ästhetik, ihr
immenses Wissen um die Geschichte der Typographie und der Buchkunst ganz in den
Dienst der Sache stellen. Dank ihrer unermüdlichen Arbeit im letzten Viertel
ihres Lebens genießt Bartkowiaks forum book art in Fachkreisen heute den Ruf
einer kulturell weltoffenen, von immer neuen, zukunftsorientierten Ideen
beseelten Institution. Die Familie und der Verein BuchDruckKunst e.V. sorgen
dafür, daß Hedwig Bartkowiaks Initiative weiter lebt und sich immer wieder auf
neue Art entfaltet. Sie starb am 3. Dezember 2007 in Hamburg.
Heinz Stefan Bartkowiak

Antiquaria-Preis 2008. Der im Rahmen der 22. Antiquaria,
Antiquariatsmesse Ludwigsburg, am 24. Januar verliehene Preis ging an Hans Ries.
Er „erhält den Preis für seine Arbeiten zur Illustrationsgeschichte des 19.
Jahrhunderts, die exemplarisch in der Edition der Werke von Wilhelm Busch
verkörpert sind. Die Edition ist ein opus magnum zur Geschichte der
Illustration und der Illustrationstechnik, ein wichtiger Beitrag zur
Kulturgeschichte und die seit langer Zeit ausstehende kritische Ausgabe eines
deutschen Klassikers“, heißt es in der Urteilsbegründung. Ries, Jahrgang 1941,
ist Autodidakt, der seine Forschungen, Publikationen und Sammlungen auf privater
Basis betreibt. Die Laudatio hielt der Kinderbuchexperte und Sammler Prof. Dr.
Friedrich C. Heller.

Wechsel in der Spitze der Hans-Meid-Stiftung. Nach langjähriger Tätigkeit
als Vorsitzender der Hans-Meid-Stiftung für Buchillustration hat der Zeichner
und Illustrator Prof. Klaus Waschk, Hamburg, zum Jahreswechsel das Amt an den
Leipziger Verleger Michael Faber übergeben. Klaus Waschk bleibt aber der
Stiftung als Mitglied weiterhin verbunden. Ausgeschieden ist hingegen der
Graphiker und Illustrator Prof. Karl-Georg Hirsch, Leipzig, der die Arbeit der
Stiftung seit Gründung 1993 maßgeblich mitgestaltet hat.

150 Jahre E. A. Seemann. Der Leipziger E. A. Seemann Verlag kann nach
bewegten Jahren in jüngerer Zeit auf das große Jubiläum 150 Jahre
Verlagsgründung zurücksehen. Noch bis zum 31. März 2008 findet aus diesem Anlaß
im Haus des Buches, Gerichtsweg 28, 04103 Leipzig, eine Ausstellung statt.
Angeboten wird auch eine Festschrift, die zum Redaktionsschluß noch nicht
vorlag. Im nächsten Heft der MARGINALIEN erscheint ein Verlagsporträt von Dr.
Ute Willer.

Vierzig Jahre Hertenstein-Presse. Lange vor der Gründung seiner eigenen
Presse im Jahre 1967 war Axel Hertenstein als Buchkünstler geschätzt und
gefragt. Nun blickt der Graphiker und Illustrator auf 40 Jahre Tätigkeit für
seine eigene Presse – zunächst die Harlekin- dann die Hertenstein-Presse –
zurück. In dieser Zeit entstanden 137 Bücher mit Texten zumeist
zeitgenössischer Autoren und Illustrationen, überwiegend Linolschnitten. Einige
dieser Bücher und vor allem Druckgraphik zeigte der Druckladen des
Gutenberg-Museums der Stadt Mainz in einer Präsentation vom 17. November 2007
bis zum 31. Januar 2008. Die Räumlichkeiten mit den vielerlei
Druckgerätschaften, vor allem auch mit dem Geruch von Farben und
Druckerschwärze, gaben gerade dieser Schau das richtige Ambiente. Dominieren
sonst im Haus die Pressen, Tiegel und Setzkästen, so waren es nun die Bilder mit
ihren einfachen Formen und leuchtenden Farben. 1999 hatte die Stadt Mainz ihren
V. O. Stomps-Preis, eine bedeutende Auszeichnung für Künstlerpressen, an Axel
Hertenstein verliehen. So wurde ein Mann ausgezeichnet, der bereits 1963 sein
erstes Buch mit Gedichten von Else Lasker-Schüler auf einem Boston-Tiegel
druckte. Damit hatte er sein 1958 begonnenes Studium an der Kunstakademie
Karlsruhe abgeschlossen. Buch, Graphik und Illustration ließen ihn nun nicht
mehr los. Erster „Arbeitgeber“ war die Eremiten-Presse des V. O. Stomps. Sie
zeichnete sich dadurch aus, daß sie neben bereits etablierten auch jungen, noch
weithin unbekannten Autoren und Illustratoren ein Forum bot. Hier waren
seinerzeit Beat Brechbühl, HAP Grieshaber, Horst Antes und Christoph Meckel
tätig. Hertenstein illustrierte nun Texte von Christa Reinig, Botho Strauß,
Marie-Luise Kaschnitz, Hilde Domin und Thaddäus Troll, und er arbeitete am
Eremiten-Kalender mit. Das vorgefundene Umfeld, die von Stomps gepflegte
Auffassung vom Gestalten und Verlegen bibliophiler Bücher prägten Hertensteins
weiteres Schaffen. So war es konsequent, daß der Künstler sich 1967 selbständig
machte und als Ein-Mann-Betrieb seine Ziele und Ideale verwirklichte.
Dabei entwickelte Hertenstein im Laufe der Jahrzehnte einen durchaus
eigenständigen Stil, der sowohl in der Buchgraphik als auch in den freien
Arbeiten unverkennbar bleibt. Ein „Hertenstein“ hat einen eindeutigen
Wiedererkennungseffekt. Eine Geistesverwandtschaft mit HAP Grieshaber ist nicht
zu leugnen, obgleich Hertenstein seinerzeit nicht bei Grieshaber studierte. Sie
erklärt sich wohl durch die geistig-künstlerische Atmosphäre an der Karlsruher
Akademie um 1960. Hier hatte man versucht, „sich von denjenigen Tendenzen der
abstrakt-informellen Kunst abzusetzen, bei denen allein die künstlerischen
Mittel, der individuelle Gestus des Farbauftrags oder der Pinselführung den
eigentlichen Inhalt der Kunstwerke bildeten und nicht die Gegenstände der
äußeren und inneren Erfahrungswelt“ (Michael Koch). Hertenstein blieb seiner
Linie treu, und darin liegt wohl auch das Geheimnis seines Erfolges begründet.
Die in Mainz ausliegenden Bücher zeigten das deutlich: Frank Geerk: Der
Steuermann, Christoph Meckel: Federlesen und Tandalon, Karlhans Frank:
Wasserspiele und Feuer, Ludwig Harig: Menschen – Tiere – Sensationen und Was
sind wir Menschen doch. Die meisterlich gedruckten Bücher mit jeweils mehreren
Graphiken erschienen in Auflagen zwischen 100 und 500 Exemplaren.
Ferdinand Puhe

Stamperia Valdonega Verona – Giovanni und Martino Mardersteig. Zur
Leipziger Buchmesse wurde im Museum für Druckkunst Leipzig, Nonnenstraße 38,
eine Ausstellung über die Stamperia Valdonega eröffnet, die von Hans (Giovanni)
Mardersteig 1948 gegründet worden war. Nach der Officina Bodoni war die
Stamperia Valdonega die zweite Druckerei des aus Weimar stammenden Hans
Mardersteig, mit der er auch größere Auflagen in hoher Qualität herstellen
konnte. Seit 1966 arbeitete Mardersteigs Sohn Martino in dieser Druckerei mit
und übernahm sie 1970. Die Ausstellung zeigt eine reiche Auswahl aus dem
Schaffen der Stamperia Valdonega sowie Entwürfe, Zeichnungen, Druckgraphiken und
Dokumente. Sie ist bis zum 29. Juni zu sehen.

Bernhard Jäger – Buch- und Druckkunst im Klingspor Museum
Offenbach. Dem
Altmeister der Buchkunst Bernhard Jäger widmeten die Offenbacher eine große
Ausstellung mit einem Überblick über das gesamte, vor allem aber das aktuelle
Schaffen. Vom 24. Oktober bis zum 18. November 2007 zeigte das Klingspor Museum
Graphiken, Bücher und Entwürfe.
Jäger, 1935 in München geboren, begann zunächst ein Studium der Biologie, um
dann von 1957 bis 1960 an der Werkkunstschule Offenbach die Technik der
Lithographie zu erlernen. Bereits am Beginn seiner künstlerischen Tätigkeit
hatte sich Bernhard Jäger dem Buch verschrieben. Zusammen mit Thomas Bayrle
betrieb er von 1962 bis 1966 die Gulliver-Presse, Bad Homburg, in der beide
typographisch experimentelle Bücher gestalteten, insgesamt 23 Bücher und
Mappen. Zu Texten von zeitgenössischen Autoren wie Bazon Brock, Franz Mon, Ernst
Jandl und V. O. Stomps schufen Bayrle und Jäger raumgreifende Lithographien,
die Innerstes offen legen, so in Jandls Hosianna. Großformatige Köpfe oder ganze
Körper zeigen eine labyrinthische Anatomie, die auch Ähnlichkeiten mit dem
Inneren von Maschinen aufweisen. Das Gleichgewicht zwischen rund und eckig
bleibt fast immer gewahrt. In diese Zeit fällt auch der Beginn einer
Freundschaft mit Stomps, dem Gründer der Rabenpresse und später der
Eremiten-Presse. Für Letztere illustrierte Jäger in den Jahren 1963 bis 1970
mehrere Bücher. Es begann mit dem Alphabet 1962, einem Lyrik-Jahrbuch von V. O.
Stomps mit fünf Serigraphien von Bayrle und Jäger (Eremiten-Presse, 1963). Nach
dem Ende der Zusammenarbeit mit Bayrle wandte sich Jäger verstärkt der freien
Graphik zu. Doch blieb er durch seine zahlreichen Kontakte zur Handpressen-Szene
im Rhein-Main-Gebiet dem Buch verbunden. Neben der Arbeit für die
Eremiten-Presse schuf Jäger graphische Beiträge für die Galerie Patio und die
Pawel-Pan-Presse.
1974 erhielt Bernhard Jäger den 2. Preis der „Footprint“-Ausschreibung in
Seattle und seit 1980 ist er Mitglied der Darmstädter Sezession. Nach einer
Gastdozentur an der Städelschule in Frankfurt am Main übernahm Jäger in den
Jahren 1984 bis 2000 die Leitung der Abendschule an dieser Hochschule für
Bildende Künste. 1990 begann ein neuer Werkabschnitt, der Jäger zu einer sehr
reduzierten Formensprache führte. Er entwickelte eine große Anzahl von
piktogrammartigen Figuren, die er „Prototypen“ nannte. Dabei handelt es sich um
einfache flächige, oft äußerst archaisch anmutende Formen, aus denen durch
Überdrucken in mehreren Farben komplexe Gestalten entstehen. Dafür verwendet
Jäger vorzugsweise die Technik des Holzschnitts. In dieser Zeit hatte der
Künstler auch eine Gastprofessur an der Fachhochschule Hamburg inne. Ein schönes
Beispiel der neuen Formensprache präsentierte die Ausstellung, Gottfried August
Bürgers Münchhausen mit Aquarellen, Bleistift- und Tuschzeichnungen. Die
Gestaltung des in der Büchergilde Gutenberg 1994 erschienenen prächtigen Buches
lag in den bewährten Händen von Uta Schneider und Ulrike Stoltz. 1995
veröffentlichte der Quetsche Verlag für Buchkunst, Witzwort, Der Golem – Eine
Legende von Isaac Bashevis Singer mit den kongenialen Illustrationen von
Bernhard Jäger, ein imposantes Buch! Für die Mariannenpresse illustrierte Jäger
Vom Leichtfuß von Einar Schleef. 2007 übertrug die Büchergilde Gutenberg
Bernhard Jäger die Umschlaggestaltung der von Jorge Luis Borges herausgegebenen
dreißigbändigen Reihe Die Bibliothek von Babel. Hier handelt es sich um eine
Künstleredition der persönlichen Lieblingswerke von Borges mit Autoren aus drei
Jahrhunderten und fünf Kontinenten. Die Originalentwürfe zu den Umschlägen sind
vom 8. März bis 17. April in der Büchergilde Gutenberg in Frankfurt/Main zu
sehen.
Die Offenbacher Ausstellung belegte einerseits die Arbeitsweise des Künstlers
anhand vieler Skizzen und Entwürfe, andererseits zeigte sie den im Verlauf
seiner Arbeit unterschiedlichen Formenreichtum seiner Figuren. Die
differenzierte Binnenzeichnung – angelegt in großem farblichen und formalem
Spektrum – dominiert seine Arbeiten bis in die neunziger Jahre. Die neueren
Werke zeigen Darstellungen in zeichenhafter Konzentration und in der
Kontrastierung von Farbflächen. „Der experimentelle Umgang mit dem Verfahren
des Holzdrucks sowie das Gestalten mit dem Handwerkszeug des Typographen sind
kennzeichnende Charakteristika, Figuren am Rande der anthropomorphen Gestalt
sichtbar zu machen“, so Dr. Stefan Soltek, der Leiter des Klingspor Museums. Die
Exponate aus der älteren Schaffensperiode des Künstlers stammten zumeist aus dem
Bestand des Museums.
Ferdinand Puhe

Geschenk einer Schöffer-Bibel an das Gutenberg-Museum. Seit Jahrzehnten
wußte man von einer evangelischen Luther-Bibel aus dem Jahre 1524, die sich in
Privatbesitz befand. Das Titelblatt war einmal abgebildet worden, sonst aber war
wenig bekannt über das einzig erhaltene Exemplar dieses von Johann Schöffer, dem
Sohn des langjährigen Gutenberg-Mitarbeiters Peter Schöffer, in Mainz gedruckten
Buches im handlichen Oktavformat. Im Katalog seiner 102. Auktion kündigte das
Kölner Auktionshaus Venator & Hanstein diese Rarität zur Versteigerung an. Man
kann sich vorstellen, wie sehr das Gutenberg-Museum am Erwerb dieses wichtigen
Belegs der Druckgeschichte interessiert war. Tatsächlich gelang es dank einer
großzügigen Spende des Mainzer Rechtsanwalts und Ersten Justitiars des ZDF,
Professor Dr. Ernst W. Fuhr, das einzigartige Zeugnis Mainzer Druck- und
Religionsgeschichte an seinen Ursprungsort zurückzuholen.
Als Vorlage für dieses gantz Neüw Testaments, recht grüntlich verteütscht von
Martin Luther, benutzte Schöffer die Oktavausgabe des Neuen Testaments, die im
gleichen Jahr Andreas Cratander in Basel herausgebracht hatte. Schöffer hatte
beim Nachdruck einige Korrekturen und kleinere Veränderungen vorgenommen, doch
war ihm der Paginierungsfehler auf Seite 537 entgangen. So trägt auch bei ihm
diese Seite die falsche Zahl dxxvij. In den Illustrationen folgte Schöffer dem
konservativen Bildprogramm in Cratanders Druck. Allerdings verzichtete er auf
die Bebilderung der Apokalypse, wie sie seit Lukas Cranachs Holzschnitten in
Luthers Septembertestament (1522) bekannt war. Bei ihm erhielten aber die
Evangelien, die Apostelgeschichte und einige der Episteln nicht nur
Holzschnittinitialen, sondern ganzseitige Eingangsbilder. Damit folgte Schöffer
der Wittenberger Oktavausgabe des Melchior Lotter aus dem gleichen Jahr. Für
den Titel verwendete Johann Schöffer teilweise Typen, die bereits sein Vater für
den Druck seines ersten Werkes, des Mainzer Psalters von 1457, eingesetzt
hatte.
Ferdinand Puhe

Ein österreichischer Exlibriskünstler in Thüringen. Am 8. Dezember 2007
wurde im Museum Schloss Burgk eine opulente Ausstellung eröffnet. Ottmar
Premstaller präsentierte hier Exlibris, Gelegenheitsgraphik und Bücher. Bei
winterlichen Temperaturen hatten sich zur Vernissage in der frostigen
Schloßkapelle der Burganlage Graphikfreunde und Bibliophile sowie Freunde des
Künstlers versammelt. Aber ein wenig herzerwärmende Musik, in brillantem Spiel
auf der Silbermannorgel vorgetragen, schuf dann eine anheimelnde Atmosphäre. Daß
der Künstler zum Abschluß jedem Besucher ein signiertes Exlibris überreichte,
wurde freudig begrüßt.
Den oberösterreichischen Exlibriskünstler und Tierarzt Dr. Ottmar Premstaller
hier vorzustellen erübrigt sich, hat doch Manfred Neureiter im Heft 182 der
MARGINALIEN diese Aufgabe bereits umfassend erledigt. Der Organisatorin Sabine
Schemmrich war es nach über zehnjähriger Vorbereitung endlich gelungen, „einen
der bekanntesten Exlibriskünstler im deutschsprachigen Raum“ in das
traditionsreiche Haus zu holen. Auf drei Etagen werden nunmehr bis März
repräsentative Beispiele aus dem Lebenswerk des fast 81jährigen Künstlers
gezeigt.
Ottmar Premstaller hat bisher 829 Exlibris geschaffen. Sein
Graphikwerkverzeichnis führt 1073 Positionen auf. Eine umfassende Auswahl davon
ist in der Exlibris-Galerie zu sehen. Immer wieder ist zu bewundern, wie die
kleinformatigen Drucke – echte Gebrauchsexlibris eben – eine ideale Verbindung
von Bild und Schrift demonstrieren. Daß die Technik des Hochdrucks, vor allem
bei den Farbdrucken wird das sichtbar, meisterhaft ausgeübt wird, kann hier
nicht nur beiläufig erwähnt werden.
Im Grafik-Kabinett kann man in vier Vitrinen Drucke von Premstallers St.
Georgs-Presse bewundern. Besonders die kleinformatigen Bücher zu den
Kellergassen (von 2004) und den Weinwächtern (von 2006) mit den
reizvoll-graphischen Holzstrukturen der „Presshaustüren“ zeigen eine enge
Verbindung zu seiner österreichischen Heimat, eine „volkstümliche“ Kunst im
besten Sinne. Die Bibliographie der St. Georgs-Presse nennt 192 Editionen. Da
einige Bücher bereits in 2. Auflage vorliegen, kommt man hochgerechnet auf eine
Gesamtproduktion von fast 50 000 Büchern! Das alles entsteht im Keller seines
Hauses, denn „er selbst ist Setzer, Drucker, Buchbinder und Illustrator in
einem“ (Neureiter).
Ein „Schmankerl“ für Freunde der Kleingraphik wird im Rittersaalgang geboten.
Von den über 500 Exlibris, die in über 50 Jahren auf seinen Namen geschaffen
wurden, offeriert eine Auswahl die Entwicklung der Exlibriskunst in der zweiten
Hälfte des 20. Jahrhunderts. So eine Übersicht bekommt man aus einer
individuellen Sammlung selten zu sehen.
Peter Labuhn

Bruce Rogers – Amerikanische Buchgestaltung und Typographie des 20.
Jahrhunderts.
Das Gutenberg-Museum Mainz zeigte vom 22. November 2007 bis zum 27. Januar 2008
einen eindrucksvollen Überblick über das Schaffen eines der ganz Großen der
amerikanischen Buchkunst, dessen Schaffen am Buch schon früh über die Grenzen
der USA hinaus gedrungen war. Bruce Rogers (1870-1957), dessen 50. Todestag
sich 2007 jährte, hatte für den Limited Editions Club, für den Grolier Club,
die Cambridge University Press, die Oxford University Press und die Harvard
University Press gearbeitet. Viele der für diese Pressen hergestellten
Rogers-Bücher sind heute gefragte Zimelien.
Am Beginn der Arbeiten von Rogers stand die Kenntnis der Werke der Kelmscott
Press von William Morris. Die Ideale von Morris realisierte Rogers während
seiner Mitarbeit in der Riverside Press in Cambridge (Massachusetts). Hier
entwarf Rogers die Centaur-Antiqua, die ab 1929 als Monotype-Version weite
Verbreitung fand. Bereits zuvor hatte er die Brimmer und die Montaigne
entworfen. Später folgte noch die Riverside Caslon, deren neuere Fassung unter
dem Namen Caslon-Antiqua bekannt ist. In den Jahren 1916 bis 1929 war Rogers für
verschiedene Pressen in England tätig. Er korrespondierte mit Emery Walker.
Die gezeigten Exponate, neben Schriftentwürfen vor allem Bücher, belegten in
beeindruckender Weise die Meisterschaft von Bruce Rogers. Fast alle Objekte
waren Leihgaben des Sammlers und Bibliothekars Hans Eckert, der auch als Kurator
der Ausstellung fungierte. Dem Betrachter fielen besonders ins Auge ein Boccaccio Life of Dante (Riverside Press, 1904, in der Montaigne Antiqua), ein
Vergilius Georgics (Riverside, 1904, in der Brimmer Kursiv), ein Äsop Fables
(Oxford University Press für den Limited Editions Club, 1933, in der Fell
Antiqua). Ein Höhepunkt in Bruce Rogers Werk ist wohl The Holy Bible (Oxford
University Press, 1935, in einer überarbeiteten Centaur, Folioformat).
Die besondere Stärke von Rogers bestand darin, daß er die entscheidenden Werte,
die die Tradition anbot, bewahrte. Er war in der Lage, sich in der Sprache der
Tradition auszudrücken, und mit dieser Fähigkeit schuf er Bücher von
unübertroffener Stilsicherheit, von Würde und Kraft, Leistungen, die nur durch
Selbstdisziplin, Kenntnisse der Kunst- und Typographiegeschichte sowie
Einfühlungsvermögen zu erreichen waren.
Ferdinand Puhe

Tatjana-Mawrina-Bibliothek. In Berlin wird wieder heftig um die
Reduzierung der öffentlichen Bibliotheken in den Stadtbezirken gestritten.
Mancherorts entstehen Initiativen, um die von der Schließung bedrohten
Kiezbibliotheken unter Führung eines Interessenvereins weiterzuführen. In
diesem Zusammenhang ist das Projekt hervorzuheben, eine Privatbibliothek
öffentlich zugänglich sind machen. Die Tatjana-Mawrina-Bibliothek in
Berlin-Moabit, Sickingenstraße 7, 10553 Berlin (Tel. 030/3918424, E-Mail:
wometzger@aol.com) wird seit einigen Jahren von unserem Pirckheimerfreund
Wolfgang Metzger geführt. Sie ist auf Kinder- und Jugendbücher spezialisiert,
hat einen Buchbestand von 6000 Titeln, ein Filmarchiv mit rund 1200 Spiel-,
Zeichen- und Puppentrickfilmen sowie ein Tonarchiv und wird als
Präsenzbibliothek geführt. Sammelschwerpunkte sind Kinder- und Jugendbücher,
Märchen und Sagen, alte Kinderbücher, Popup-Bücher und Sekundärliteratur zum
Kinder- und Jugendbuch überwiegend aus Osteuropa. Zum Jahresende 2007 hat
Wolfgang Metzger ein Informationsheft über die Namensgeberin Tatjana Alexejewna
Mawrina (1902-1996) herausgegeben. Neben Landschaftsbildern, vorwiegend mit
Motiven von der Wolga und der Moskauer Umgebung, gehörte Buchgraphik zu ihren
Arbeitsschwerpunkten. Das Heft enthält eine Biographie, bibliographische
Notizen und vier Porträts, die Kunstkritiker und der Kinderbuchautor Juri Kowal
geschrieben haben.

Vademecum Antiquariat 2008. Unter diesem Titel erschien zum Jahresende
2007 ein Verzeichnis aller Antiquariatsfirmen, die in der Arbeitsgemeinschaft
Antiquariat im Börsenverein des Deutschen Buchhandels, im Verband Deutscher
Antiquare und in der Genossenschaft der Internetantiquare (GIAQ) organisiert
sind. Insgesamt sind 470 Mitgliedfirmen alphabetisch mit der Adresse, Angabe von
Telefon-, Faxnummer, E-Mail-Anschrift, den Geschäftszeiten und Spezialgebieten
aufgeführt. Viele Firmen verfügen bereits über eigene Internetauftritte, wo
weitere Informationen erteilt werden und aktuelle Angebote gelistet sind. Unter
den 470 Ladengeschäften, Internetfirmen und Auktionshäusern befinden sich auch
47 Firmen aus Österreich, der Schweiz und dem übrigen Ausland. Für eine
allgemeine Tendenz steht die Zahl von nur 263 Geschäften, die einen Laden führen
oder doch regelmäßige Geschäfts- und Besuchzeiten haben. Ein Register ordnet
die Einträge nach Orten. Mit 50 Firmen sitzen die meisten organisierten
Antiquare in Berlin, gefolgt von Hamburg (mit 28 Antiquaren), München (25),
Stuttgart (14) und Frankfurt am Main (12). Ein weiteres Register erschließt die
Firmen nach Sachgebieten. Von Alchemie bis Zoologie findet sich eine große
Bandbreite der Spezialisierungen. Nicht wenige Firmen beschreiben ihr
Aufgabengebiet allerdings mit dem traditionellen Profil „Allgemeines
Antiquariat“. Besonders häufig sind die Fachgebiete Alte Drucke, Architektur,
Autographen, Bibliophilie, Buchwesen, Geisteswissenschaften, Geschichte,
Graphik, Illustrierte Bücher, Kunst und Kunstgeschichte, Naturwissenschaften,
Orts- und Landeskunde, Philosophie, Reisen und leider auch „Literatur“, womit
wohl Belletristik gemeint ist. Das von Björn Biester und Matthias Glatthor
erarbeitete Verzeichnis, ist unter anderem zu beziehen beim Börsenverein des
Deutschen Buchhandels, Geschäftsstelle Arbeitsgemeinschaft Antiquariat, Großer
Hirschgraben 17-21, 60311 Frankfurt am Main. Demnächst erscheint unter
www.boersenblatt.net/antiquariat auch eine Online-Version.
Der Überblick, den das Vademecum Antiquariat liefert, ist hilfreich und sicher
auch repräsentativ, erschöpfend leider nicht, wie ein Blick in das zur gleichen
Zeit vom Landesverband Berlin des Börsenvereins herausgegebene Verzeichnis
Antiquariate in Berlin 2008 offenbart. Darin sind 98 Firmen in Berlin und
Umgebung vertreten, die ihren Eintrag zu bezahlen bereit waren. Also knapp
doppelt so viele Berliner Antiquare wie im Vademecum, wobei nicht einmal alle im
Vademecum erscheinenden Firmen im Berliner Verzeichnis enthalten sind. Das
Verzeichnis von 2005/6 hatte noch 124 Einträge. Wodurch dieser Schwund zu
erklären ist, bleibt unkommentiert. Die Verlagerung der Geschäftstätigkeit in
das Internet war schon vor drei Jahren vollzogen. Wahrscheinlich spiegelt sich
darin die schlechte Geschäftsentwicklung durch den Preisverfall im
Internethandel wider. Von den 2008 aufgeführten 98 Firmen geben 78 an, einen
Laden zu führen oder doch regelmäßige Geschäfts- und Besuchszeiten zu haben.
Nur noch 31 Antiquare versenden regelmäßig Kataloge in gedruckter Form. (Leider
fehlt eine solche Angabe im Vademecum.) Neu ist der von mehreren Antiquaren
genannte Weg mittels elektronisch versandter Kataloge zusätzlich zum
allgemeinen Angebot auf den Internetplattformen und der Homepage Kunden zu
erreichen. Das Berliner Verzeichnis ist nach Stadtteilen geordnet und hat auch
ein Register nach Sachgebieten. Mit 16 Firmen sind die meisten Antiquariate in
Charlottenburg ansässig, gefolgt von Schöneberg (19), Kreuzberg (8), Mitte (8)
und Prenzlauer Berg (8). Das Heft wird kostenlos von allen eingetragenen
Antiquaren verteilt.
C. W.

Das neue Wissenschaftsportal b2i. Seit 2007 ist b2i, das zentrale
Wissenschaftsportal für die Bibliotheks-, Buch und Informationswissenschaften,
online: www.b2i.de. Nach dem Vorbild der virtuellen Fachbibliotheken bündelt b2i
Fachinformation, Datenbanken und Bibliothekskataloge der Bibliotheks-, Buch-
und Informationswissenschaften und macht sie über eine gemeinsame Oberfläche
bequem zugänglich. Dazu gehören auch für Bücherfreunde wichtige Auskunftsmittel
wie die „Bibliographie zur Buch- und Bibliotheksgeschichte“ (BBB), die
„Wolfenbütteler Bibliographie zur Geschichte des Buchwesens“ (WBB), der
elektronische Bibliothekskatalog des „St. Galler Zentrums für das Buch“ (SGZFB)
und das von Bernhard Fabian herausgegebene Handbuch der historischen
Buchbestände einschließlich des österreichischen Pendants Handbuch der
historischen Buchbestände in Österreich.
Dieter Schmidmaier

Eine Thomas-Mann-Sammlung für die Berliner Staatsbibliothek. Der
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz ist es gelungen, eine
bedeutende Thomas-Mann-Sammlung zu erwerben und damit Berlin zu einem wichtigen
Standort für die Thomas-Mann-Forschung zu machen. Aus dem regulären Etat hätte
die Bibliothek diesen Ankauf nicht bezahlen können, deshalb sprangen wieder
einmal „Die Freunde der Staatsbibliothek zu Berlin“ mit ihrem rührigen
Vorsitzenden, Prof. Dr. h.c. Klaus G. Saur, ein. Ihnen gelang es, neben eigenen
Spenden Sponsoren zu werben und die nicht unbeträchtliche Summe aufzubringen.
Die Sammlung wurde zusammengetragen von der Literaturwissenschaftlerin Clara
Waldrich aus München. Es handelt sich um 183 handschriftliche oder
maschinenschriftliche Briefe, zirka 300 Bücher (Erstausgaben, signierte
Ausgaben, illustrierte und Vorzugsausgaben) und verschiedene Dokumente und
Fotos.
Am 30. Oktober 2007 fand im Haus Potsdamer Straße eine Veranstaltung statt, bei
der die Sammlung offiziell vorgestellt wurde. Gleichzeitig wurden einige
besonders wertvolle Stücke ausgestellt, die ahnen ließen, um was für ein
hochkarätiges Konvolut es sich handelt. Auf der Veranstaltung sprach Dr. Dirk
Heißerer, Vorsitzender des Thomas-Mann-Förderkreises München e.V. und Verfasser
mehrerer Bücher über Thomas Mann und Bayern, über das Thema Thomas Mann und
Berlin. Auf launige und witzige Art wußte er viel dazu zu sagen. Zwar hat Thomas
Mann die längste Zeit seines Lebens in München verbracht, aber auch die
Reichshauptstadt spielte keine geringe Rolle. Dort lebten reiche Verwandte
seiner Frau, die Rosenbergs, die ihm eine wertvolle Taschenuhr der Firma
Glashütte schenkten, die er bis an sein Lebensende besaß. Dort war der Sitz
seines Verlages S. Fischer, dem er ebenfalls lebenslänglich treu blieb. In
Berlin befand sich auch die Preußische Akademie der Künste, deren Sektion
Dichtkunst er bis zum Beginn der Naziherrschaft angehörte. Nach 1945 erschienen
seine Bücher als Lizenzausgaben im Suhrkamp Verlag, vormals S. Fischer, in
Berlin. Nach der Gründung der DDR wurde auch der Ostteil der Stadt für ihn
wichtig, denn dort befand sich der Aufbau-Verlag, der unter seinem Leiter Walter
Janka, der von der ganzen Familie Mann sehr geschätzt wurde, die erste
Gesamtausgabe herausbrachte und ihm zum 80. Geburtstag schenkte. Das im Osten
noch zu seinen Lebzeiten gegründete Thomas-Mann-Archiv der Deutschen Akademie
der Wissenschaften blieb allerdings weniger bedeutsam, da es an Autographen und
Devisen fehlte. Die DDR mit ihrer Hauptstadt Ost-Berlin jedenfalls schätzte und
förderte Thomas Mann, aus welchen Gründen auch immer, mehr als die frühe
Bundesrepublik, nachdem die ersten Schwierigkeiten der Bezahlung überwunden
waren. - Der Vortrag von Dirk Heißerer enthielt neben anderen interessanten
Mitteilungen die, daß Prof. Frido Mann, der jetzige Chef der Familie, alle
Sperrungen, die über bestimmte Bestände verfügt worden waren, so über den
Briefwechsel mit Ida Herz, aufgehoben hat.
Michael Schädlich

Sammeln um 1900 – eine Ausstellung der Kunsthalle Bremen. Aus Anlaß des
150jährigen Bestehens des Norddeutschen Lloyd widmet sich der
Ausstellungskatalog Altes, Neues, Allerneuestes. Sammeln um 1900. Eine
Ausstellung zu Ehren von H. H. Meier jr. und Heinrich Wiegand. Bremen:
Hachmannedition, 2007. 125 S. 4° Pp. Euro 25. ISBN 978-3-939429-21-0 zwei der
wichtigsten Personen des Bremer Kaufmanns- und Kulturlebens um 1900 und deren
Sammlungen. Hermann Heinrich Meier jr. (1845-1905), Sohn des bekannten Gründers
des Norddeutschen Lloyd H. H. Meier, und Heinrich Wiegand (1855-1909), seit 1892
Direktor des Norddeutschen Lloyd, waren Mitglied im Vorstand des Kunstvereins in
Bremen. Meier besaß über 60 000 druckgraphische Arbeiten europäischer und
amerikanischer Künstler insbesondere des 19. Jahrhunderts (von Jacques Callot
und Francisco de Goya bis zu Edvard Munch und Käthe Kollwitz), Wiegand
konzentrierte sich auf japanische Farbholzschnitte und Blockbücher des 17. bis
19. Jahrhunderts und trug eine mehrere hundert Blätter umfassende Sammlung
zusammen. Beide übergaben dem Kunstverein ihre Privatsammlungen, prägten damit
die Kunsthalle Bremen nachhaltig und machten sie zu einer der führenden
Sammlungen im Bereich der neuzeitlichen Druckgraphik. Aus diesem großen Fundus
konnten die Herausgeber Anne Röver-Kann und Andreas Kreul schöpfen. Neben zwei
sehr lesenswerten fundierten biographischen Beiträgen wurde eine Fülle von
Informationen in einem attraktiven Band zusammengestellt. Im Mittelpunkt steht
die Liste der Ausstellungsstücke mit Lebensdaten der Künstler und Titel der
gezeigten Werke. Die Katalogangaben sind auf ein Minimum begrenzt, es gibt viele
Abbildungen, die meisten leider in Minibuchgröße (etwa drei mal vier Zentimeter),
einige davon aber die Seite ausfüllend. Den Abschluß bildet ein Register der
Künstler. Es ist unverzeihlich, daß auf ein Verzeichnis der bei den einzelnen
Einträgen aufgeführten, dort aber abgekürzt zitierten Literatur verzichtet
wurde. Das Buch im Format 29 mal 22 Zentimeter ist ansprechend gestaltet,
enthält einen Schutzumschlag in hellblau, Bucheinband und Vorsatz sind in grau
gehalten. Die Ausstellung findet vom 20. Februar bis 1. April 2007 statt.
Dieter Schmidmaier

Bibliographie der Sammlung Tusculum. Seit 1923 brachte der Verleger Ernst
Heimeran (1902-1955), angeregt durch seinen Geschichtslehrer, die Werke antiker
Autoren in zweisprachigen Ausgaben heraus. Heute wird diese Reihe innerhalb der
Patmos-Verlagsgruppe weitergeführt. Horst Kunze hat in seinen Erinnerungen an
Ernst Heimeran (MARGINALIEN, H. 128, 1992) auch auf diese bedeutende Reihe in
schlichter Ausstattung, „schlanke Ganzleinenbände mit geradem Rücken“,
hingewiesen. Nun gibt es im Netz unter www.venturus.de eine für Sammler,
Liebhaber, Antiquare und Historiker wichtige Bibliographie der Sammlung. Es
handelt sich um ein von Johannes Saltzwedel erstelltes numeriertes Verzeichnis
aller erschienenen Ausgaben und Auflagen mit bibliographischen Angaben wie
Umfang und Bindungsart. Korrekturen und Ergänzungen sind dem Bearbeiter
willkommen. www.venturus.de ist die Homepage von Caroline und Johannes
Saltzwedel (Hamburg). Auf ihr finden sich weitere wichtige Materialien zur
Geistesgeschichte und Bibliographie wie ein Namenregister der Bibliographen mit
Lebensdaten und Kataloghinweisen (als Ergänzung zu G.A.E. Bogeng, Die großen
Bibliographen, Leipzig 1922) und die Bibliotheca Herderiana (Register zu Johann
Gottfried Herders Privatbibliothek, 1904).
Dieter Schmidmaier

Multa paucis. Unter diesem Titel erscheint eine neu gegründete Reihe von
Faksimile-Ausgaben seltener Schriften im Verlag La Finestra editrice in Trient
(siehe die Verlagsseite im Internet www.lafinestra.com). Die Reihe wird vor
allem seltene oder unbeachtete Texte und Traktate der frühen Neuzeit wieder neu
zugänglich machen. Unter der Schirmherrschaft der Nationalbibliothek in Florenz,
die auf großzügige Weise ihre reichen Altbestände zur Verfügung stellt,
zeichnet mit Mino Gabriele ein hervorragender Kenner und Bibliophile für die
Konzeption verantwortlich, der durch seine bisherigen Editionen (man denke an
die kommentierte Ausgabe der Hypnerotomachia Poliphili oder seine
Rekonstruktion des Corpus Iconographicum von Giordano Bruno) weithin
Anerkennung gefunden hat. Als erste Bände der neuen Serie sind ein Faksimile der
Commentaria symbolica des Antonius Ricciardus (Venedig 1591) sowie der von
Johannes Pistorius herausgegebenen Ars cabalistica (Basel 1587) erschienen. Die
Commentaria symbolica, die hier erstmals nach über vier Jahrhunderten erneut
gedruckt werden (La Finestra editrice, Trento 2005, 2 Bde., XXIV S. + 371 Bl.
und 309 Bl., ISBN 88–88097–91–0), stellen als ein alphabetisch geordnetes
Kompendium von Begriffen eine Art Enzyklopädie des Symbolischen dar. Die dem
Nachdruck vorangestellte Introduzione von Mino Gabriele (S. IX–XXIV) bietet
eine Einführung zu Autor und Werk und diskutiert vor allem die verschiedenen
Arten von Symbolismen, welche die Commentaria in sich vereinen. Als zweites Werk
der Serie ist die Ars cabalistica wieder zugänglich gemacht (La Finestra
editrice, Trento 2005, XVI + 979 S., ISBN 88–88097–97–X), eine Sammlung von mehr
oder minder vermeintlich kabbalistischen Traktaten, welche Johannes Pistorius
gegen Ende des 16. Jahrhunderts, in einer Zeit intensiver theologischer
Auseinandersetzungen, auf Latein herausgegeben hat. Diese Sammlung vereinigt
unter anderem Schriften von Paulus Ricius, Leo Hebraeus und Johannes Reuchlin.
Eingeleitet wird auch dieser Nachdruck durch Vorworte von Jean-Pierre Brach und
Mino Gabriele. Die großformatigen Faksimile-Bände zeichnen sich allesamt durch
solide handwerkliche Fertigung aus und sind in weißgrauem Halbleinen gebunden.
Als nächstes Projekt ist unter anderem ein Nachdruck der Schrift De harmonia
mundi (1525) des Francesco Giorgio Veneto angekündigt.
Thomas Gilbhard

Die Schatzkammern der Universitätsbibliothek Gießen. Aus Anlaß des
vierhundertjährigen Bestehens der Justus-Liebig-Universität Gießen 2007 öffnete
die Universitätsbibliothek ihre Schatzkammern und veröffentlichte einen Band
unter dem Titel Aus mageren und aus ertragreichen Jahren. Streifzug durch die
Universitätsbibliothek Gießen und ihre Bestände. Hrsg. v. Irmgard Hort und Peter
Reuter. Gießen: Universitätsbibliothek, 2007. 375 S. 8°. Pp. (Berichte und
Arbeiten aus der Universitätsbibliothek und dem Universitätsarchiv Gießen; 58.)
Euro 25. ISBN 978-3-9808042-7-1. Dies ist eine Geschichte von Mäzenen und
Sponsoren und deren Spenden und Schenkungen, von Potentaten und Machthabern und
deren Zuweisungen, von Verlust und Rückschlägen, vor allem im Ergebnis des
Zweiten Weltkrieges, den nur ein Zehntel des Bestandes überlebt hat. Es ist aber
auch eine Geschichte des systematischen Auf- und Ausbaus und bestmöglicher
Erschließung in den letzten Jahrzehnten. In Einzelbeiträgen wird eine Reihe von
großartigen Spezialbeständen vorgestellt. Dazu gehören die mittelalterlichen
Handschriften, die Sammlung von Rara (wie das Epos Theuerdank von dem Förderer
der Buchkunst und Literatur Maximilian I.), die kostbaren juristischen Bücher
aus der Bibliothek des 1989 verstorbenen Hochschullehrers Herbert Krüger
(1905-1989), die studentischen Stammbücher des 18. Jahrhunderts als wertvolle
Quelle des Kulturgeschichte der akademischen Schicht, die Sammlung Gießener
Dissertationen aus vier Jahrhunderten von den Anfängen des Disputationswesens
bis zur Online-Publikation, die wohl größte Sammlung von Schulprogrammen
Deutschlands als bedeutende Quelle für die biographische Forschung, Autographen
berühmter Persönlichkeiten sowie die bemerkenswerte Walter-Benjamin-Sammlung.
Das alles wird ergänzt durch eine Beschreibung wichtiger Sponsoren, Mäzene und
Stifter, einen Blick in die Geschichte der Bibliotheksgebäude, eine Darstellung
des Universitätsarchivs und Einblicke in das Bildarchiv, aber auch erste
Ergebnisse zum NS-Raubgut jüdischer Provenienz in der Universitätsbibliothek.
Der Band ist ansprechend gestaltet, die einzelnen Beiträge sind sehr gut
geschrieben und reich illustriert. Er ist eine Bereicherung für die
Forschungsliteratur zur Geschichte deutscher Universitätsbibliotheken und für
den Bücherfreund eine willkommene Ergänzung zu ähnlichen Publikationen anderer
Einrichtungen. Da die Gießener Universitätsbibliothek durch eine Schenkung des
Landgrafen Ludwig V. erst 1612 gegründet wurde, feiert sie 2012 ihr
vierhundertjähriges Jubiläum, und dies sicherlich mit einer voluminösen
historischen Darstellung und einer Jubiläumsausstellung.
Dieter Schmidmaier

Mitteldeutsches Jahrbuch für Kultur und Geschichte. Schon im 14. Jahrgang
liegt ein Periodikum vor, das unter den Bücherfreunden bislang kaum bekannt sein
dürfte und doch gerade für die neuen Bundesländern sehr viele einschlägige, auch
für Bibliophile interessante Themen behandelt. Das Mitteldeutsche Jahrbuch für
Kultur und Geschichte wird im Auftrag der Stiftung Mitteldeutscher Kulturrat von
dem Historiker Christof Römer herausgegeben und von ihm gemeinsam mit dem
Bibliothekar Harro Kieser und der Historikerin Gerlinde Schlenker redigiert.
Publiziert wird es im Verlag Janos Stekovics. Der Begriff Mitteldeutschland ist
denkbar breit gefaßt und erlaubt die Aufnahme fast aller Themen, die mit
Geschichte und Gegenwart der neuen Bundesländern zu tun haben, einschließlich
der DDR-Geschichte. Das Jahrbuch gliedert sich in einen Hauptteil mit
ausführlichen Aufsätzen, einen Gedenkteil mit Chronologie und vielen personen-
und ereignisgeschichtlichen Kurzbeiträgen, einem Nekrologteil, Ausstellungs-
und Tätigkeitsberichtsteil und einen ausführlichen Rezensionsteil mit
Besprechungen von Forschungsliteratur, Sachbuch und Belletristik. Das
Autorenverzeichnis ist lang und mit vielen auch dem Bücherfreund bekannten Namen
bestückt. Aus der Fülle der guten, meist ansprechend geschriebenen Beiträge sind
für den Bereich der Buch-, Literatur- und Kunstgeschichte besonders
hervorzuheben: Porträts der Bibliophilen Georg Witkowski und Fedor von Zobeltitz,
des Verlegers Anton Philipp Reclam, des Maler Otto Möhwald, der Mystikerin
Mechthild von Magdeburg, der Großherzogin Anna Amalia von
Sachsen-Weimar-Eisenach, des Kardinals Albrecht von Brandenburg, der
Schriftsteller und Publizisten Jurij Brězan, Klaus Günzel, Wolfgang Harich, Paul
Gerhard, Ruth Werner, Mascha Kaléko, Alfred Kantorowicz, Sebastian Haffner und
Wolfgang Koeppen. Unter den sage und schreibe 24 Rezensionen finden sich Bücher
von und über Gleim, Sophie Mereau-Brentano, Immermann, Fontane, Harry Graf
Kessler, Regina Scheer und Anna Seghers. Ein Vorzug des Jahrbuches ist also
zweifellos die biographische Forschung, die systematisch, gründlich und
leidenschaftlich betrieben wird und dadurch erinnert, bewahrt und anregt. Der
gut bebilderte Pappband (ISSN 0946-3119) kostet 19,80 Euro.
C. W.

Königliche Gartenbibliothek Herrenhausen. Die aus dem ehemaligen Besitz
des welfischen Königshauses stammende Bibliothek wurde 2005 vom Auktionshaus
Reiss & Sohn in Königstein im Taunus katalogisiert und zum Kauf angeboten. Auf
Bitte des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur in Niedersachsen wurden die
Bestände auf die „Blaue Liste“ national wertvollen Kulturgutes gesetzt, die
einen Verkauf ins Ausland untersagt. 2007 wurde die Königliche Gartenbibliothek
für 3,3 Millionen Euro gemeinsam von der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek
Hannover, der Anna Amalia Bibliothek Weimar und der Johann Christian Senckenberg
Bibliothek Frankfurt am Main erworben. Nach ihrer Erschließung durch zwei
Hannoveraner Institutionen (Zentrum für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur
und Leibniz Bibliothek) werden die Bestände in Ausstellungen öffentlich
zugänglich gemacht. Die Königliche Gartenbibliothek umfaßt wertvolle
Handschriften und Drucke aus dem 17. bis 19. Jahrhundert und ist ein Spiegel
einer der bedeutendsten Gartenanlagen Europas. Vergleichbare Sammlungen befinden
sich nur in den Bibliotheken der Royal Horticultural Society London und des
Royal Botanic Garden in London (Kew Gardens).
Dieter Schmidmaier

Lessings Fabeln in der Breitkopf-Fraktur. Eckehart SchumacherGebler,
Herausgeber der Reihe Bibliothek SG, in der zum Jahreswechsel die Ausgabe
Fabeln. Drey Bücher von Lessing (München: SchumacherGebler, 2007) erschienen
ist, erinnert in seinem Nachwort daran, daß noch bis weit ins 20. Jahrhundert
hinein ein in Fraktur gesetztes Buch Normalität war. Heute fehlt die Kenntnis
nicht nur beim jungen Lesepublikum, sondern selbst bei Fachleuten wie jenem
Schriftenmaler, der in einem Restaurant anstatt „Herren“ „Hexxen“ schrieb, weil
er das Frakturx für r hielt. Wie in der Reihe üblich, beschreibt
SchumacherGebler die verwendete Schrift aus ihrer Geschichte heraus. Sie
entstand in Leipzig am Beginn des 18. Jahrhunderts und wurde nach dem Drucker
und Schriftgießer J. G. Immanuel Breitkopf benannt, der sie jedoch nur als
erster verwendete und nicht selbst schnitt. An ihrer Entwicklung waren mehrere
Schriftschneider beteiligt, ohne das heute noch die Details der Entstehung zu
rekonstruieren sind. „Man schnitt die Buchstaben nach einem überlieferten
Schönheitsideal, das aber in gewisser Weise auch allgemeinverbindlich war. Das
läßt auf Stilsicherheit, ausgeprägtes Formempfinden und hohes handwerkliches
Können schließen. Und nur so war auch der Austausch untereinander möglich.“ Wie
die Luther-Fraktur, die für einen anderen Band der Reihe verwandt wurde, gehörte
die Breitkopf-Fraktur zu den meist benutzten Schriften.
Sie entstand also in zeitlicher Nähe zu Lessings Fabeln, die in vorliegendem
Buch nach der zweiten Auflage von 1777 wiedergegeben werden. Jeder der meist
knappen Texte hat eine eigene Seite erhalten, kann sich mithin in seiner
Eigenart frei entfalten. Friedhelm Kemp erläutert in einer knappen
literaturgeschichtlichen Nachbemerkung die Stellung von Lessings Fabeln in der
Weltliteratur und seine Erklärungen zur Theorie der Fabel. - Freunde der
Schriftgeschichte werden ihre Freude an dem schönen, schlichten Buch haben. Es
wurde von Heinz Hellmis und Eckehard SchumacherGebler gestaltet, auf der
Monotype gesetzt, im Buchdruck von der Offizin Haag-Drugulin (Leipzig) gedruckt
und von der Firma Lachenmaier (Reutlingen) in Pappe gebunden. Der Band (ISBN
9783-920856-50-6) kann zum Preis von ??? in jeder Buchhandlung bezogen werden.
C. W.

Puschkins Schneesturm in der Edition M & M.

Der Pirckheimer-Freund Jürgen
Meyer Jurkowski, Graphiker und Pressenverleger in Hamburg, zeigt einen neuen
Druck in seiner Edition M & M an. Wie schon mehrfach gilt er dem russischen
Klassiker: Alexandr Puškin, Schneesturm. Neu übersetzt von Peter Urban. Mit 15
Holzschnitten von Jürgen Meyer Jurkowski. 56 S. Leinen mit orginalgraphischem
Umschlag. 4°. Büttenpapier. Textdruck: Druckerei Boyens Offset Heide/Holstein.
Druck der Graphiken: Klaus Raasch. Einband von Christian Zwang. Die Auflage
beträgt 50 Exemplar; die Normalausgabe kostet 310 Euro, die Vorzugsausgabe mit
jeweils 4 ganzseitigen Bleistiftzeichnungen 480 Euro. Meyer Jurkowski haben vor
allem die verhaltenen erotischen Andeutungen des Textes zu seinen Bildfindungen
angeregt, er hat sie zu drastischen Szenen zugespitzt. Die Physiognomien sind
karikaturhaft übersteigert. Ruhige Naturstimmungen werden gegen die Widrigkeit
des tobenden Schneesturms gesetzt. Die Typographie lebt von dem Kontrast einer
12 Punkt Grundschrift und einer 200 Punktschrift für an den Außenrand gesetzte
Einzelbuchstaben sowie den ganzseitigen einfarbigen Holschnitten.

Pariser An- und Einsichten. Pariser Ansichten ist eine Anthologie
betitelt, die der Maximilian Dietrich Verlag und die Edition Curt Visel, beide
in Memmingen, im letzten Jahr herausgebracht haben. In dem 119 Seiten starken
Pappband berichten deutschsprachige Autoren des 19. und 20. Jahrhunderts über
ihre Eindrücke aus dem Paris ihrer Zeit. Es handelt sich um Tagebuchnotizen,
Essays und Briefe. Seinen besonderen Reiz erhält das Buch durch die als Pinsel-
und Tuschezeichnungen ausgeführten Illustrationen von Jochen Stücke, der auch
die Textauswahl besorgte. Eine einfühlsame Einführung schrieb Stefan Lüddemann,
in der er das geradezu innige und fruchtbare Verhältnis des Künstlers zu Paris
darlegt.
Jochen Stücke, 1962 in Münster/Westfalen geboren, studierte an der
Fachhochschule Münster, war Meisterschüler bei Prof. Karl Christoph Schulz an
der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig. Inzwischen ist Stücke selbst
Professor für Zeichnung und Illustration an der Fachhochschule Niederrhein in
Krefeld. Bisher hat Stücke Werke von Proust, Zola, Kafka, Poe und Heine
illustriert.
Die Liebe des Künstlers zu Paris wird in vielen seiner Bilder deutlich, so auch
in dem jetzt vorliegenden Buch. Klar erkennbar zeigt sich eine Symbiose zwischen
den Pariser Ansichten des Graphikers und den Texten der von ihm ausgewählten
Autoren. Seine teils surrealistischen, teils skurrilen Bilder (einige über zwei
Seiten reichend) zu den Ansichten der Autoren Uhland, Hebbel, Heine,
Grillparzer, Wagner, Wedekind, von Hofmannsthal, Rilke, Kafka, Heym, Polgar,
Roth und Tucholsky interpretieren nicht, sie ergänzen die Gedanken, Gefühle und
Erlebnisse der Dichter. So ergeben sich vielfältige Einsichten in eine der
lebendigsten Hauptstädte Europas mit ihrem so eigenen Flair, ihrer
unverwechselbaren Atmosphäre, für viele Leser auch Wiedersehensfreude bedeutend,
Erinnerungen weckend. Für Erstbesucher der französischen Hauptstadt kann die
Anthologie als Einstiegslektüre durchaus empfohlen werden.
Die Lesefreude kann allerdings durch eine strapazierende Buchgestaltung
beeinträchtigt werden. Das Seitenlayout bietet von Blatt zu Blatt ein anderes
Bild. Die Spaltenbreite variiert zwischen 4,3 und 11,8 Zentimeter, der Außenrand
ist zwischen 0,8 und 4,2 Zentimeter schmal beziehungsweise breit. Und das alles
bei reinen Textseiten. Auch der Durchschuß wird im laufenden Text willkürlich
geändert. Überschriften und Zwischentexte sind nicht sofort als solche zu
identifizieren. Verwandt wurde eine Grotesk-Schrift. Das Ganze ist also ein
gewagtes typographisches Experiment! Das Buch wird in der Normalausgabe (ISBN
978-3-87164-164-0) für 22 Euro angeboten, in der Vorzugsausgabe mit beigelegter
Lithographie (ISBN 978-3-87164-1-7) für 62 Euro.
Ferdinand Puhe
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