Redaktionsschluss 2. Oktober 2006

Klaus Sobolewski verstorben
Zum 75 Geburtstag von Claus Weidensdorfer
100 Jahre Jütte-Messedruck Leipzig
125 Jahre Verlag J. H. W. Dietz Nachf
175 Jahre Hinstorff Verlag
40 Jahre Badische Bibliotheksgesellschaft
50 Jüdische Miniaturen aus dem Hentrich & Hentrich Verlag
„Initiative Buchkultur“ konstituierte sich in Ludwigshafen am Rhein
Bücherfluten! – Bücherwelten? Eindrücke von der Frankfurter Buchmesse
Unsere Kinderbuch-Klassiker – eine Reihe der ostdeutschen Zeitungen
Die Andere Bibliothek wird fortgesetzt
Malpostkarten von Dieter Goltzsche
Späte Erinnerungen eines Kunst- und Antiquitätensammlers an die
      DDR-Zeit

Kalender mit Graphik zu Liebeslyrik
Neue Lyrik aus Ungar von Sándor Tatár
Archiv und Bibliothek des Fritz-Hüser-Instituts Dortmund
Nachlaß von Konrad Zuse
Handschrift des Renaissance-Malers Lorenz Stoer ediert
Nachlässe von Irene und Hermann Henselmann
Archiv von Walter Kempowski
Erstes in ostslawischer Sprache gedrucktes Buch in Görlitz
Prolibri – ein genossenschaftliches Internetportal für antiquarische Bücher
Erster Spatenstich für die Bibliothek der Humboldt-Universität Berlin
Graphikfolge WEGE – Neue Grafik
Werner Schuder gestorben
Wehre den Anfängen! Oettingers Handschriftenverkauf
Horst Hussel illustriert E. T. A. Hoffmann

 

 

 

 

Klaus Sobolewski verstorben. Er wäre am 4. August 2006 44 Jahre alt geworden. Am 3. Juli 2006 ist Klaus Sobolewski, Schüler und engster Freund von Carlfriedrich Claus, freiwillig aus dem Leben geschieden. In einer Gedenkstunde in den Kunstsammlungen Chemnitz nahmen Künstlerkollegen und Weggefährten Abschied von dem Maler, Graphiker und Dichter, der einsam und zurückgezogen lebte und ohne seine „Lichtgestalt“ Carlfriedrich Claus vergeblich versuchte, dem Lebensschmerz zu entkommen. Er war ein schwieriger Typ, ein verschlossenes Schwergewicht, dünnhäutig, freundlich und sanftmütig. Es gibt einige kurze schöne Briefe mit hellen Gedanken aus Zeiten langen Schweigens.

1983 hatte er sich gemeinsam mit Carlfriedrich Claus am Berliner Graphikmarkt der Pirckheimer-Gesellschaft mit einer Graphik-Edition beteiligt. 1987 veröffentlichte er im Gertraud Scholz Verlag Obermichelbach seinen Gedichtband nicht/worte. Darin finden sich die Zeilen: „ich werde geboren – fast einsam – ich werde sterben – fast einsam – was dazwischenlag – fast einsam –.“ 1994 richtete ihm die Chemnitzer „Galerie oben“ seine wichtigste Ausstellung ein, zu der ein umfassender Katalog erschien mit zahlreichen Abbildungen und Texten von Klaus Werner, Gerhard Wolf, Carlfriedrich Claus und Klaus Sobolewski. Seither gab es kleinere Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen im In- und Ausland. Zuletzt kaum mehr.

Sein Tod hinterläßt Betroffenheit und Traurigkeit bei jenen, die ihn näher kannten und ihm nahestanden. Der „Studienraum Carlfriedrich Claus“ in Annaberg-Buchholz richtet ihm zum Gedenken die Sonderausstellung Erinnerung an Licht ein. In Vorbereitung ist eine Publikation mit Erinnerungen von Weggefährten und Würdigungen des „sicher unterschätzten Werkes“ (Ingrid Mössinger).

Klaus Sobolewski war vertraut mit der Sprache der Steine und des Wassers, mit dem Wohltun des Lichts. „Sieh dir das an, das könnte / einer sein, der einfach weg geht / aus seinem weltlichen Leben…“ (Karl Krolow).

U. Lang

Zum 75 Geburtstag von Claus Weidensdorfer. Am 19. August 2006 wurde der Maler und Graphiker Claus Weidensdorfer 75 Jahre alt. In Coswig bei Meißen geboren, studierte er an der Hochschule für Bildende Künste Dresden bei den Professoren Erich Fraaß, Hans-Theo Richter und Max Schwimmer. Von 1957 bis 1966 war er Assistent für Graphik und Malerei an der Pädagogischen Fakultät dieser Hochschule. 1963 war er Gründungsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Leonhardi-Museum Dresden. Seit 1966 arbeitete er freiberuflich. 1975 bis 1989 war er Lehrbeauftragter der Fachschule für Werbung und Gestaltung in Berlin-Schöneweide. 1989 bekam er wieder einen Lehrauftrag an der Dresdner Hochschule und hatte hier von 1992 bis zur Emeritierung 1997 eine Professur für Malerei und Graphik inne. Meine Bekanntschaft mit Claus Weidensdorfer geht auf das Jahr 1985 zurück, als er für meine Frau Gertraude und mich ein Exlibris gestaltete. Insgesamt hat er 31 Bucheignerzeichen geschaffen, von seinem Schüler Karl-Heinz Anger (1935-2006) in einer Exlibris-Werkliste (2001) verzeichnet. Anläßlich seines 75. Geburtstages zeigte das Leonardi-Museum in Dresden die Ausstellung Die Regeln und das Spiel. Dazu erschien ein Katalog mit einer Einführung von Wolfgang Holler. Der Hauptbeitrag Die Wiederentdeckung der vollendeten Vergangenheit stammt von Mathias Wiemer. Der Katalog (56 S., Pp., 4°) enthält auch eine Biographie und Verzeichnisse der Auszeichnungen und Ausstellungen. Wir gratulieren Claus Weidensdorfer zu seinem 75. Geburtstag und wünschen ihm weiterhin viel Freude an seiner künstlerischen Arbeit.

Horst Gebauer

100 Jahre Jütte-Messedruck Leipzig. Eine der bekanntesten und größten Druckereien Leipzigs, die Jütte-Messedruck Leipzig GmbH, feierte in diesem Jahr ihr hundertjähriges Bestehen. Das heutige Unternehmen ging aus der Fusion zweier alter Leipziger Firmen im Jahr 2002 hervor. Der ältere Teil wurde allerdings bereits Jahrzehnte zuvor, am 2. Januar 1873, als Druckerei H. F. Jütte gegründet. Jütte stand allzeit für Qualität, wie Auszeichnungen mit dem „Goldenen Preis“ auf der Bugra 1914, mit Medaillen auf der Pariser Weltausstellung 1937, zahlreiche Auszeichnungen mit dem Titel „Schönstes Buch“ sowie mit dem Gutenbergpreis der Stadt Leipzig belegen. Die Geschichte von Messedruck Leipzig begann mit der Gründung der Druckerei Günther, Kirstein & Wendler im Jahr 1906. Auch diese Firma kann zahlreiche Ehrungen vorweisen, schon 1910 das „Diplome d’Honneur“ der Weltausstellung und 1914 die höchste Auszeichnung der Bugra, den „Königlich-Sächsischen Staatspreis“. Den Zweiten Weltkrieg überstand die Firma weitgehend unbeschadet, nur um nach dem Krieg jede zweite Maschine als Reparationsleistung an die Sowjetische Militäradministration ausliefern zu müssen. Von 1933 bis 1967 wurde die Firma von Herbert Günther und nach seinem Tod 1967 von seiner Frau Doris geführt. Doris Günther blieb bis 1981, auch nach der Überführung der Druckerei 1972 in Volkseigentum, in der Firma tätig, nunmehr umbenannt in Druckerei „Hermann Duncker“. Noch im Jahr der deutschen Einheit erhielt sie die Firma rückübertragen und schied erst 2001 im Alter von 82 Jahren endgültig aus. Sie übergab eine moderne Druckerei mit 65 Mitarbeitern. 87jährig hat sie jetzt ihre Lebensgeschichte zu Papier gebracht: Hier gehöre ich hin, herausgegeben von der Doris-Günther-Stiftung zur Förderung kultureller Anliegen in Leipzig. (Das Buch kann gegen eine Spende bei Jochen Wissemeier, Tel: 0341 / 149340, bestellt werden.) 2005 erwirtschaftete Jütte-Messedruck, inzwischen umgezogen in die Ostwaldstraße, trotz schlechter Branchenlage mit 11,2 Millionen den höchsten Jahresumsatz in der Firmengeschichte. Zu den Produkten der Firma gehört auch unsere Zeitschrift Marginalien.

 

125 Jahre Verlag J. H. W. Dietz Nachf. Die deutsche Sozialdemokratie hatte zu allen Zeiten ein gut funktionierendes System von Buch- und Zeitungsverlagen. Kein Verlag ist jedoch im Bewußtsein der Öffentlichkeit so eng mit ihr verbunden wie der Verlag J. H. W. Dietz Nachf. Namensgeber und Verlagsgründer war Johann Heinrich Wilhelm Dietz, der Leiter der sozialdemokratischen „Genossenschafts-Druckerei“ in Hamburg. Nach der Verabschiedung des Sozialistengesetzes wurde Dietz aus Hamburg ausgewiesen und ging nach Stuttgart, wo er 1881 unter seinem Namen einen neuen Verlag einrichtete. Er entwickelte sich schnell zum Hausverlag der Sozialdemokratie. Der erste Bestseller wurde Das Elend der Philosophie von Karl Marx. Sehr einflußreich war die Internationale Bibliothek mit solchen Klassikern, damals freilich Kampfschriften, wie Edward B. Avelings Die Darwinsche Theorie, Karl Kautskys Ursprung des Christentums und August Bebels Die Frau und der Sozialismus. Zu erinnern wäre an viele Bücher von Wilhelm Liebknecht oder Eduard Bernstein, aber auch an die Satirezeitschrift Der wahre Jacob. Die Blütezeit reichte bis zum Ende der Weimarer Republik und der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten, die den sozialdemokratischen Verlag sofort liquidierten. Fortan wirkten für viele Jahre nur die alten Bücher und Broschüren.

Nach Kriegsende eröffnete die SED 1946 in Berlin einen Dietz Verlag, der neben Klassikern des Marxismus hauptsächlich Propagandaliteratur der Partei publizierte. Die SPD konnte sogleich erfolgreich das Nachfolgerecht zu J. H. W. Dietz streitig machen, aber nur für das Wirtschaftsgebiet der Bundesrepublik. Die SED versuchte in den vierziger Jahren, durch den Eintritt eines Strohmanns in die Verlagsgesellschaft das Namensrecht für sich zu retten: Karl Dietz, Inhaber des Greifenverlages, gab seinen Namen und durfte als Dank seinen Belletristik-Verlag in Rudolstadt bis zum Tod 1964 als Privatunternehmen fortführen. Doch die Gerichte im Westen sprachen diesem Verfahren die Rechtmäßigkeit ab. Erst Jahre nach der Wiedervereinigung einigten sich die beiden Dietz-Verlage vor Gericht, daß sich der PDS-Verlag fortan klar erkennbar Karl Dietz Verlag nennen muß.

Nach Jahren der Scheinexistenz von J. H. W. Dietz im Westen kam erst wieder Schwung in die Verlagsarbeit, als 1973 die Friedrich-Ebert-Stiftung den Verlag übernahm. Das Programm wurde für neue Themen wie Ökologie, Frauen- und Friedensbewegung sowie Geschichte des Nationalsozialismus geöffnet. Durch die latente Krise auf dem Buchmarkt, besonders für politische Literatur, brachen in den neunziger Jahren harte Zeiten an, die 2000 vorläufig durch die „Reduzierung auf ein Kernteam“ um die Verlagsleiterin Hilde Holtkamp ihr Ende fanden. Erfolgreich scheint man heute vor allem mit historischen Büchern zu sein. Dazu gehören renommierte Reihen wie das Archiv für Sozialgeschichte, aber auch Biographien wie die von Dieter Schlesak über Capesius, den Auschwitzapotheker (2006).

 175 Jahre Hinstorff Verlag. Viele Bücherfreunde, besonders in Mecklenburg-Vorpommern, freuen sich, daß es den Hinstorff Verlag noch gibt. In den Jahren nach der Einführung der Marktwirtschaft in den neuen Bundesländern drohte ihm das gleiche Schicksal wie den meisten anderen Buchverlagen im Osten: die Liquidation oder die Übernahme des Programms in einen Verlag im Westen. Doch Hinstorff wurde 1992 von der Verlagsgruppe Heinz Heise in Hannover übernommen, die ihr Geld vor allem mit Adreß- und Telefonbüchern und Fachzeitschriften verdient. (Wie man auf der Homepage lesen kann, erzielte die Gruppe mit 88,9 Millionen einen stattlichen Umsatz.) So blieb der Hinstorff Verlag weiterhin selbständig am angestammten Firmensitz in Rostock tätig.

Der Verlag wurde 1831 von dem Namensgeber Dethloff Carl Hinstorff im Alter von 20 Jahren gegründet, damals noch mit fürstlichem Privileg des Großherzogs Franz I. Der junge Mann publizierte alles, was die Leser im Herzogtum brauchten und was die ansässigen Gelehrten schrieben: Sach- und Fachliteratur der Jurisprudenz, Theologie, Pädagogik, Landwirtschaft und Landeskunde. Erst mit der Übernahme von Fritz Reuter in den Verlag im Jahre 1859 bekam der Verlag überregionale Bedeutung. Kontinuierlich wurden fortan Belletristik und niederdeutsche Literatur verlegt. Von Reuter selbst wurden in den folgenden Jahren Bücher in 156 Auflagen mit fast einer halben Million Exemplaren verbreitet, seinerzeit ein außergewöhnlicher Erfolg.

Nach 1945 gelang es dem legendären Verleger Peter E. Erichson, Hinstorff weiter als privaten Verlag zu führen, untergebracht in einer Art Baracke, aber mit Ehm Welk und anderen norddeutschen Erfolgsautoren weithin bekannt. Am Ende seiner Tage blieb ihm aber 1959 nichts anderes übrig, als Hinstorff an den Staat zu verkaufen. Mit erhöhtem Papierkontingent erlebte der VEB Hinstorff Verlag unter dem jungen Verlagsleiter Konrad Reich bald eine erstaunliche Blüte. Die Regionalliteratur wurde ausgebaut und um den sehr erfolgreichen Bereich der maritimen Literatur ergänzt. Auf Initiative des Cheflektors Kurt Batt gelang auch eine fast spektakuläre Erweiterung des Belletristik-Programms: Hinstorff wurde für einige Jahre zu einem Zentrum der kritischen DDR-Literatur, mit solchen Autoren wie Franz Fühmann, Jurek Becker, Klaus Schlesinger und Rolf Schneider, die allesamt im Zentrum der kulturpolitischen Auseinandersetzungen standen. Heute ist Hinstorff, unter der Leitung von Ansgar Heise (Geschäftsführer) und Eva Maria Maas (Verlagsleiterin) der älteste und größte Buchverlag Mecklenburg-Vorpommerns mit einem wieder reichhaltigen Spektrum an Regionalliteratur, Bildbänden, Kochbüchern und Kalendern. Pro Jahr publiziert er 40 bis 50 Neuerscheinungen. Seit der Übernahme des Konrad-Reich-Verlages im vergangenen Jahr gehört auch wieder Ehm Welk dazu und trägt neben Franz Fühmann zum Umsatz entscheidend bei. Trotz des hohen Alters und der ansehnlichen Geschichte gibt es bis heute kaum Veröffentlichungen zur Verlagsgeschichte.

C. W.

40 Jahre Badische Bibliotheksgesellschaft. Am 4. Juli 1966 wurde nach dem Vorbild der schon fast zwanzig Jahre bestehenden Württembergischen Bibliotheksgesellschaft auch eine Badische gegründet. Sie fördert seitdem den Ausbau, die volksbildnerischen Aufgaben und die wissenschaftlichen Zwecke der Badischen Landesbibliothek. Sie unterstützt die Bibliothek durch Zuwendungen verschiedener Art wie den Ankauf von Handschriften und Büchern, die Katalogkonversion, Restaurierungsmaßnahmen und Zuschüsse zu Veranstaltungen und Publikationen. Die Jubiläumsausstellung unter dem Titel 1966-2006. Kostbare Geschenke der Badischen Bibliotheksgesellschaft zeigt Beispiele für komplett finanzierte Objekte der Bibliotheksgesellschaft wie sechs Inkunabeln aus der Provenienz Donaueschingen, zwei Partituren von Jean-Baptiste Lully (1680 und 1686), das Bilderbuch von Hans Thoma für sein Patenkind Minoprio (1882) und Buchgraphik des 20. Jahrhunderts aus der Sammlung Ulrich von Kritter sowie Beispiele für anteilig finanzierte Objekte wie die 40 000 Bände der Schloßbibliothek Baden-Baden. Ganz nah an den eigentlichen Aufgaben der Bibliotheksgesellschaft ist der seit 1986 bestehende Bibliophile Kreis angesiedelt – Gespräche über eigene Sammlungen und Informationen über Auktionen, andere Sammler und Händler. Über all dies und noch viel mehr berichtet die kleine, ansprechend gestaltete Festschrift Vierzig Jahre Badische Bibliotheksgesellschaft e.V. Jubiläumsschrift und Begleitheft zur Ausstellung 1966-2006. Hrsg. von Wolfgang Klose. Karlsruhe: Badische Bibliotheksgesellschaft, 2006. 93 S. Pp. 8° ISBN 3-89065-056-2, die allen Bibliophilen sehr zu empfehlen ist. Die Badische Bibliotheksgesellschaft ist ein ausgezeichnetes nachahmenswertes Beispiel für die Beziehung von Bibliothek und Gesellschaft: „Bibliotheken brauchen Freunde. Bibliotheken brauchen Bibliotheksgesellschaften. Nicht nur in Zeiten knapper Kassen sind Freunde wichtig, die ihnen mit Rat und Tat und vor allem mit Geld zu Seite stehen,“ so der Bürgermeister der Stadt Karlsruhe, Ullrich Eidenmüller, in seinem Geleitwort.

Dieter Schmidmaier

50 Jüdische Miniaturen aus dem Hentrich & Hentrich Verlag. Erfreulich viele Mitglieder des Berliner Bibliophilen Abends hatten den Weg ins Antiquariat Hennwack in Berlin-Steglitz gefunden, um am 11. September den Vortrag von Dr. Hermann Simon, Direktor der Stiftung Neue Synagoge Berlin-Centrum Judaicum, zu hören. Sie erwartete ein großzügiges Ambiente mit zehntausenden Büchern an den Wänden und sogar mit einer Getränkekarte. Einleitend sprach der Cheflektor von Hentrich & Hentrich, Klaus-Peter Gerhardt, kurz über die Vorgeschichte des Verlages. Ursprünglich gab es eine Druckerei Hentrich, die vor allem für die Berliner Theater arbeitete. 1981 gliederte Gerhard Hentrich diesem Unternehmen den Verlag „Edition Hentrich“ an. 1994 verkaufte er das Unternehmen, in dessen Räumen heute das Antiquariat Hennwack residiert, aus Altersgründen an neue Eigentümer, die mit der Firma aber 1997 in Insolvenz gingen. 1998 gründeten Gerhard Hentrich und sein Sohn Harald Hentrich den Hentrich & Hentrich Verlag Teetz / Berlin mit Sitz in Teetz (Prignitz), der nicht mit der weiterhin existierenden Edition Hentrich identisch ist. Das Verlagsprogramm umfaßt Sachbücher, hauptsächlich Judaica, Bücher zur Zeitgeschichte und Regionalia.

Die Buchreihe Jüdische Miniaturen wurde 2001 von einem Redaktionskollegium (Dr. Heinrich Simon, Harald Hentrich und Klaus-Peter Gerhardt) gestartet und umfaßt heute schon 50 Bände: 64 bis 90 Seiten stark, broschiert, zum Preis von 6 bis 10 Euro. 40 der Miniaturen behandeln jüdische Persönlichkeiten, die anderen geben zum Beispiel Auskunft über jüdische Festtage und Gebräuche oder beschreiben jüdische Bauwerke. Heinrich Simon berichtete außerordentlich lebendig und selbstkritisch über die Entstehungsgeschichte einiger markanter Bände, wobei er sich vieler Fragen sehr engagierter Zuhörer erwehren mußte. (War X überhaupt Jude? Warum ist Y nicht dabei?) Er machte klar, daß die Beantwortung dieser Fragen für die Verlagsarbeit nicht allein ausschlaggebend sein kann. Ganz pragmatische Fragen treten hinzu: Wird ein Manuskript angeboten? Gibt es einen geeigneten Autor? Besteht voraussichtlich genügend Interesse am Thema? Wichtigster Gesichtspunkt war aber in jedem Fall, Momentaufnahmen aus der deutsch-jüdischen Beziehungsgeschichte darzustellen und Leistungen jüdischer Mitbürger vor dem Vergessen zu bewahren.

So ist eine Buchreihe mit unverwechselbarem Profil entstanden, die zum Sammeln empfohlen werden kann. Weitere Bände sind in der Planung, auch eine Modernisierung der derzeit noch etwas biederen Gestaltung. Alles bisher Erschienene ist zu besichtigen und zu beziehen im Jüdischen Museum und natürlich direkt beim Verlag (E-mail: hentrichhentrich@aol.com)

Bernd Illigner

 

Initiative Buchkultur“ konstituierte sich in Ludwigshafen am Rhein. Am 22. Juli 2006 wurde in Ludwigshafen am Rhein der Verein „Initiative Buchkultur: Das Buch e.V.“ gegründet. Die Idee entstammt dem Umfeld unserer Pirckheimer-Freundin Marita Hoffmann. So versteht sich denn auch der Verein keineswegs als „Konkurrenz“, vielmehr als sinnvolle, wenn nicht gar notwendige Ergänzung zur Pirckheimer-Gesellschaft im Bereich der Buch- und Lesekultur, wie es in der Presseerklärung heißt. In bester humanistischer Tradition soll der Verein fördern: die Herausgabe von „schönen“, „guten“ und „gut gemachten“ Büchern sowie die Ausbildung der dafür erforderlichen Qualifikationen und Techniken. Darüber hinaus wird durch Ausstellungen, Lesungen, Vorträge und Diskussionsveranstaltungen letztlich nicht nur die Buchkultur, sondern auch die Lesekultur in der schulischen und außerschulischen Bildung gefördert und somit das Wissen um das Kulturgut Buch, das einzige fast immer werbefreie Medium, entfaltet. „Dieser Verein ist ein Desiderat, mit anderen Worten: Er hat uns gerade noch gefehlt“, so Marita Hoffmann, die am 22. Juli auch zur Vorsitzenden gewählt wurde, angesichts der allzu vielen inhaltlich wie formal billig und lieblos auf den Markt geworfenen Büchern. Abschaffung von Lektoraten, schlechte Übersetzungen, „do-it-yourself“-Satz, ideenloses Layout und Material beherrschen derzeit die Buchproduktion in weiten Teilen.

Der Verein zählt bereits 19 Mitglieder, weitere rund 60 Personen und Institutionen sind derzeit noch im Gespräch. Das illustre Spektrum der Mitglieder und Interessenten reicht von bibliophilen Ärzten über Lehrer bis zu Fachkräften aus den Bereichen Bibliotheks- und Archivwesen, Belletristik, Übersetzung, Illustration, Typographie, Druck, Geschichte, Buchhandel und Kunst. Der Verein hat seinen Sitz in Ludwigshafen am Rhein und ist auch ganz bewußt dort und in der Region Rhein-Neckar verankert, denn – um mit Ernst Bloch zu sprechen – „noch das Alte zu plündern, zu Neuem zu montieren, gelingt vom Standpunkt solcher Städte am besten.“ Was den Interessenten- und Mitgliederkreis betrifft, zeichnet sich aber bereits jetzt ein Wirkungsradius ab, der wohl weit darüber hinausreichen wird. So versteht sich der Verein auch als interkulturell und interdisziplinär ausgerichtete Größe, die das Medium Buch in all seinen bekannten und vielleicht noch nicht bekannten Facetten voranbringen will. So sind ›viel‹sprachige Buchausgaben mit Künstlern oder beispielsweise Projekte mit jungen Architekten angedacht, respektive schon in der Ausführung.

Um die Attraktivität für Familien zu erhöhen und Kinder frühzeitig an das Thema heranführen zu können, wurde ein Familienbeitrag eingeführt, der je zusätzlichem Familienmitglied einen Aufpreis von lediglich 10 Euro jährlich vorsieht. Der Mitgliedsbeitrag beträgt 60,00 Euro im Jahr, der Institutionenbeitrag 120 Euro und der Förderbeitrag 300 Euro. Weitere Informationen erteilt die Geschäftsstelle: „Initiative Buchkultur: Das Buch e.V.“, c/o Llux / Marita Hoffmann, Postfach 25 02 09, 67034 Ludwigshafen, E-mail: buch@buchkultur.org.

Bücherfluten! – Bücherwelten? Eindrücke von der Frankfurter Buchmesse. Immer mehr, immer größer, das ist die Botschaft der Ausstellungsmacher auf der Frankfurter Buchmesse auch in diesem Jahr gewesen. Ein Trend wurde allerdings überproportional stärker: die eigene Welt des Hörbuchs, wohl frei nach dem Motto „Wer nicht lesen will, muß hören“. Das diesjährige Gastland Indien hatte für den Freund des schönen Buches nicht viel zu bieten, ansonsten aber eine Menge Bücher und viel Folklore. Und die unüberschaubare Menge an Büchern trieb den Bibliophilen, viele der Hallen schnell zu durchschreiten, wenn er sie denn überhaupt betrat. So konnte sich sein Interesse in Ruhe den Hallen 3 und 4 zuwenden, wo die Belletristik, das Sachbuch, das Kinderbuch und die Buchkunst zuhause waren. Besonders angesprochen fühlte man sich bei den Antiquariaten in Halle 4.0 und bei den Kleinverlagen und Pressendruckern in Halle 4.1. Dort gab es auch ein Viertel, das der Papiermacherei, der Graphik und dem Drucken vorbehalten war. Künstler und Handwerker zeigten die Herstellung von handgeschöpften Papieren, Künstler fertigten graphische Druckstöcke an, auf kleinen Pressen wurden diese sowie handgesetzte Schriften zu Papier gebracht. Viele Zuschauer – an den ersten drei Tagen nur Mitarbeiter des Buchhandels, der Verlage und der Presse – verweilten hier und sahen gern dem künstlerischen und handwerklichen Entstehen eines Druckwerks zu, sind doch solche Tätigkeiten in den heutigen Verlags- und Druckhäusern fremd geworden.

Waren zwar die Reihen der Pressendrucker lichter geworden, so präsentierte sich doch noch eine große Zahl solcher Pflegestätten des schönen, mit Graphik geschmückten Buches aus dem In- und Ausland, unter ihnen so manches Pirckheimer-Mitglied. Für sorgfältig komponierte Bücher ist Dr. Wolfram Benda in seiner The Bear Press, Bayreuth, ein Garant. Zur Messe hatte er Gustave Flauberts Bücherwahn mit kongenialen Radierungen Paul Mersmanns mitgebracht. Die Brüder Guido und Johannes Häfner, Nürnberg, zeigten Brechts Totentanz in vielfältigen künstlerischen Techniken und Ausdrucksformen, wobei auch die Computergraphik eingesetzt wird. Unser Berliner Freund Hanfried Wendland hat Barbara Högls Ungefähr halb, Gedichte, mit 18 farbigen Linolschnitten illustriert und sorgfältig gebunden. Ansprechend sind immer wieder Hanif Lehmanns in seiner Widukind-Presse, Dresden, hergestellte Kombinationen von Literatur und Graphik (Holzschnitte oder Radierungen), so diesmal Georg Trakls Sonette. Die Quetsche, Witzwort, zeigte Theodor Storms Hinzelmeier mit Graphiken von Gisela Mott-Dreizler, und die Edition Schwarze Seite, Frankenhardt, präsentierte in kräftigen Farben und Formen sieben Märchen der Brüder Grimm, hergestellt in Bleisatz und Handdruck auf Arches-Bütten.

Bleibt noch anzumerken, daß bei den großen Verlagen die Buchkunst einen immer geringeren Stellenwert besitzt. Es drängt sich der Eindruck auf, daß man durch leseunfreundliche Bücher – schlechter Satzspiegel, zu kleiner Durchschuß – die Zahl der Leser noch weiter verringern möchte. Nur wenige, unter ihnen die Büchergilde Gutenberg und die Wissenschaftliche Buchgesellschaft, bemühen sich ausdrücklich um das gute und schöne Buch. Solche waren unter dem Begriff der prämierten „Schönsten Bücher“ in einer beeindruckenden Schau auf dem Stand der Stiftung Buchkunst zu bewundern.

F. Puhe

Unsere Kinderbuch-Klassiker – eine Reihe der ostdeutschen Zeitungen. Dem Kinderbuch wächst unerwartete Hilfe zu. Auf Initiative der Ostsee-Zeitung (Rostock) hat sich eine Interessengemeinschaft von 16 regionalen Tageszeitungen gebildet, die ihren Lesern eine Auswahl von zunächst zwölf klassischen Kinderbüchern aus vierzig Jahren DDR in neuen Ausgaben anbietet. Damit reagieren sie auf die Welle von Leserbibliotheken, die von den großen überregionalen Tageszeitungen wie Frankfurter Allgemeine und Süddeutsche Zeitung eingerichtet worden sind. Im Verein mit dem Verlag Faber & Faber sowie den Herausgebern Konrad Reich und Elmar Faber präsentierten sie am 29. September im Berliner Buchkaufhaus Dussmann der Öffentlichkeit die ersten vier Bände: Pony Pedro von Erwin Strittmatter, illustriert von Hans Baltzer, Das Wildpferd hinterm Kachelofen von Christoph Hein, illustriert von Manfred Bofinger, Der brave Schüler Ottokar von Ottokar Domma, illustriert von Karl Schrader, und Karlchen Duckdich von Alfred Wellm, illustriert von Werner Klemke. Ziel der Zeitungen ist es, Kinderbuchklassiker neu zu entdecken und über sie mit ihren Lesern und deren Kindern und Enkeln ins Gespräch zu kommen. Alle Tageszeitungen haben begleitende Veröffentlichungen, Lesungen und Diskussionen in den Verlagshäusern angekündigt. Die Autoren Peter Abraham, Christoph Hein, Werner Heiduczek und Walther Petri sowie Illustratoren wie Egbert Herfurth und Wolfgang Würfel sind mit Freuden auf die geplanten Veranstaltungen eingegangen. DDR-Kinderbücher sind inzwischen zahlreich durch neue Verlage wieder entdeckt worden, so von leiv, Beltz und Ravensburger, doch meist mit neuen Illustrationen. Prinzip der neuen Reihe ist es dagegen, die Bücher in ursprünglicher Gestalt neu aufzulegen, also Pony Pedro wieder mit Hans Baltzer usw. Leider mußten die Formate vereinheitlicht werden, und es standen selten die Originale der Illustrationen für den Neudruck zur Verfügung. Der Reihengestalter Frank Eilenberger (Leipzig) hat aber die Vereinheitlichung auf Großoktav gut gelöst. Der einheitliche Preis von 7 Euro schloß die Aufnahme von umfangreichen und üppig ausgestatteten Büchern aus. Allerdings griffen die Herausgeber auf die ursprüngliche Fassung von Wildpferd hinterm Kachelofen zurück, die seinerzeit in der DDR für die Nachauflagen aus Kostengründen abgespeckt werden mußte: weniger Illustrationen und eine Druckfarbe weniger. Bis zum Weihnachtsgeschäft sollen die ersten zwölf Bücher auf dem Markt sein. Die Auflage von 20 000 Exemplaren wird auch im Buchhandel angeboten.

Die Andere Bibliothek wird fortgesetzt. Kaum eine Buchreihe war in den letzten Jahrzehnten derart erfolgreich wie Die Andere Bibliothek. Gegründet wurde sie 1985 auf Initiative des Druckers und damaligen Verlegers Franz Greno, der mit Hans Magnus Enzensberger einen idealen Herausgeber gewann. Dessen Name und Kontakte sicherten dem jungen Unternehmen einen fabelhaften Start. Klassische Werke der Weltliteratur und Geistesgeschichte, Biographien, Autobiographien, literarische Entdeckungen, aber auch kulturgeschichtliche Sachbücher gehören zum Markenzeichen der Bibliothek, die von Greno mit Geschmack und großem handwerklichem Können in seiner Nördlinger Druckerei hergestellt wurde. Zu Grenos Zeiten erschienen sämtliche Titel im Buchdruck in schönster Typographie, fadengeheftet, mit Lesebändchen. Die Pappeinbände sind mit individuellen farbigen Überzugpapieren gestaltet. Einheitlich sind nur Rückenschildchen und bald auch die nach beiden Seiten offenen Schuber. Eine Vorzugsausgabe, erst mit Bütten bezogene Pappbände im Lederschuber, dann in Ganzleder gebunden (bei G. Lachenmaier in Reutlingen), erschien in der hohen Auflage von 999 numerierten Exemplaren. Nicht wenige Sammler entschlossen sich zum Abonnement. Nach dem Verlagswechsel zu Eichborn (Frankfurt / Main) mußte die Reihe auf Offset umgestellt werden, wurde jedoch von Greno in bewährter Weise weiter gestaltet, in wechselnde Schriften gesetzt und in seiner Druckerei hergestellt. Nach 250 Titeln verlor Hans Magnus Enzensberger plötzlich die Lust an der Zusammenarbeit mit Eichborn. Er tat sich 2005 mit der Frankfurter Allgemeinen zusammen und verkündete die Gründung der Frankfurter Allgemeinen Bibliothek mit dem gleichen Konzept wie die frühere Reihe. 48 Bücher für 48 Monate waren laut Franz Greno, der mit im Boot war, im Börsenblatt vorausgeplant. Eichborn besaß das Verlagsrecht an der Anderen Bibliothek und sah sich darin durch die Neugründung sicher nicht zu Unrecht geschmälert. Man sah sich vor Gericht wieder. Eichborn gewann, woraufhin Enzensberger sofort sein Konzept aufgab. Eichborn verwirklichte zwischenzeitlich Projekte die schon von Enzensberger geplant und vorbereitet waren. Zur Frankfurter Buchmesse im Oktober stellte der Verlag jetzt die neuen Herausgeber vor: Michael Naumann, Publizist und Herausgeber Der Zeit, und Klaus Harpprecht, Publizist und Biograph. Der Vertrieb soll künftig durch die Zeit unterstützt werden. Die ersten neuen Bände sind für die Leipziger Frühjahrsmesse angekündigt.

Malpostkarten von Dieter Goltzsche. Dieser „Goltzsche“ ist eine wahre Fundgrube für Freunde des Künstlers, für Sammler und Kunstinteressierte – das persönlichste Buch, das sich zu den bereits vorliegenden Werkverzeichnissen der Radierungen (Gudrun Schmidt) und Lithographien (Anke Scharnhorst) und der Monographie Malerei und Zeichnungen (Hrsg.: Matthias Flügge und Bernd Weise) vortrefflich und ergänzend fügt: Dieter Goltzsche: Aber zuletzt wird die Form zum Erlebnis. Bilder und Texte. Hrsg. v. d. Akademie der Künste, Berlin. Berlin: MCM ART Verlag, 2006, 143 S., Pp., 24,80 Euro. ISBN 3-9809969-5-6; Akademie der Künste ISBN 3-88331-103-0. In diesem wiederum von Michael de Maizière gestalteten Band wird eine weitere Werkgruppe Goltzsches vorgestellt und ins rechte Licht gerückt, nämlich seine Malpostkarten. Hunderte dieser pointiert verfremdeten, spontan ver- und bekritzelten, zauberhaft bemalten, beklebten und gestalteten Postkarten, oft seltsamsten Formats und mittels kuriosester Gebrauchspapiere hat der Künstler verschickt, als Dank, als Gruß, als Botschaft des Augenblicks, als Lebenszeichen … Meist an Künstlerkollegen, Freunde und Förderer, mit verspielten und rätselhaften, witzigen, auch selbstverliebten Titeln – durchaus keine beiläufigen Seitensprünge, sondern, wie er selbst bemerkt, Ergebnisse eher fruchtloser Tage, abendliche Behauptungen jeweiliger Stimmungslagen und bei Gelegenheit verschickt. Mail-art sagte man irgendwann.

Das anregende, mit Abbildungen reich ausgestattete Buch ist einer Schenkung Dieter Goltzsches, der „bisher umfangreichsten Schenkung im Bereich bildende Kunst an das Archiv der Akademie der Künste“, zu danken: Skizzenbücher, Zeichnungen, 1646 Graphiken, Plakate. Auch das vollständige Künstlerarchiv gehört zur Schenkung, ergänzt durch Manuskripte, biographische Texte, Reden und Arbeitsnotizen … „Mit diesem Archiv erschließen sich der Forschung differenzierte Aussagen zur Befindlichkeit von Künstlern, die in der DDR lebten und arbeiteten“ (Gudrun Schmidt, Michael Krejsa).

Die Konzeption des Bandes, verantwortet von Gudrun Schmidt, der vorzüglichen und ausgewiesenen Kennerin des Werkes von Dieter Goltzsche, spiegelt den Facettenreichtum der Schenkung einfühlsam, umfassend und in beeindruckender Weise authentisch, wie allein das Inhaltsverzeichnis verrät: R. Kudielka „Goltzsches Geschenk“ / Dieter Goltzsche: Notate und Zitate (Notizen zur Arbeit, Lernen und Lehren, Künstlerkollegen) / Dieter Goltzsche im Gespräch mit Gudrun Schmidt / Biographie / Zur Schenkung an die Akademie der Künste / Personenregister / Adressaten der Bildkarten. Auch Pirckheimer-Freunde gehören zum dokumentierten Adressatenkreis: Jörg-Heiko Bruns, Wolfram Körner, Lothar Lang, Peter Röske, Gudrun Schmidt … Ein Künstlerbuch, das erfrischend unterhält, mit originellen Einsichten überrascht, durch weitreichende Einblicke in künstlerisches Arbeiten und Denken beeindruckt. Für Kunststudenten sollte es verbindliche Lektüre werden, und den Pirckheimer-Kunstfreunden sei es besonders ans Herz gelegt, zumal einige wenige Vorzugsexemplare mit Einzeichnungen. Interessenten melden sich bitte in der Redaktion.

U. L.

 

Späte Erinnerungen eines Kunst- und Antiquitätensammlers an die DDR-Zeit. Unter diesem Titel sind im Juli dieses Jahres Memoiren unseres Pirckheimer-Freundes Dr. Rolf Jakob in der hallischen Galerie Dr. Stelzer & Zaglmaier erschienen (79 S., 51 Abb., 15 Euro; zu beziehen bei der Galerie, Große Steinstraße 57, 06108 Halle/Saale, E-mail: info@InterArtShop.de). Am 23. September 2006 stellte der Verfasser sein Büchlein in der Galerie vor und las daraus. Jakob, ehemals wie seine Frau Dr. Gertraud Jakob Arzt in Merseburg, verdankt sein Interesse an Kunst und seinen Sinn für Geschmack und Qualität nicht dem Elternhaus und nicht der Schule, sondern einem Schulfreund, dem langjährigen Chefkonservator beim Institut für Denkmalpflege in Halle, Dr. Hans Berger. So waren denn auch die ersten Stücke seiner Sammlung, die seit den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts entstand, mittelalterliche Kunstwerke. Erst allmählich und zunächst zufällig kam er mit lebenden Künstlern in Kontakt und gewann Interesse an ihren Werken. Jakob bietet keine kunsthistorische Darstellung. Er erzählt, wie er bestimmte Künstler persönlich oder über ihr Werk kennenlernte, wie er versuchte, Gemälde oder graphische Blätter von ihnen zu erwerben, und wie ausdauernde Bemühungen endlich zum Erfolg führten. Das sind teilweise sehr ergötzliche Geschichten, etwa die Berichte über Begegnungen mit Albert Ebert, Otto Müller (‚Gräsermüller‘), Karl-Erich Müller und Carl Marx. Natur-, nämlich geographiebedingt stehen Werke hallischer Künstler im Zentrum der Sammlung Jakob. So ist die Rede von Karl Rödel, der später nach Mannheim ging, von Helmut Schröder, Fritz Müller, Otto Möhwald, Hannes H. Wagner, Werner Rataiczyk. Eher zufällig kam es zu Kontakten mit Otto Paetz in Weimar, Curt Querner in Börnchen, Arno Rink und Peter Sylvester in Leipzig. Jakob genoß seine Schätze nicht allein, er versuchte seine Freude auch anderen zu vermitteln. So organisierte er jährlich zum ‚Tag des Gesundheitswesens‘ eine Ausstellung im Merseburger Krankenhaus. Das dürfte ihn vor unangenehmen Besuchen der Finanz- und anderer Behörden bewahrt haben; daß diese dennoch Interesse an ihm zeigten, gehört auch zu den Erinnerungen eines Kunstsammlers an die DDR-Zeit. Dennoch überwiegen positive Reminiszenzen - an Künstler, Galeristen, Kunstwissenschaftler, auch an den Staatlichen Kunsthandel, die Pirckheimer-Gesellschaft und die Marginalien.

Wolfgang Kirsch

 Kalender mit Graphik zu Liebeslyrik. Zu den zahlreichen Herausgebern anspruchsvoller Graphikkalender gesellt sich nun auch die Berliner Edition Schwarzdruck. Für 2007 wird ein erster Kalender mit Graphik zu Liebeslyrik herausgebracht. Im Format 30 mal 40 Zentimeter auf Hahnemühle Bütten und in einer Auflage von jeweils 70 numerierten und signierten Exemplaren werden fortan alljährlich sieben wechselnde Künstler präsentiert: Sechs Blätter mit einem Zweimonatskalendarium und einem zusätzlichen „Bonusblatt“ zur Verschönerung der Wartezeit bis zur Einweihung des Kalenders. Die Blätter sind durch Perforation abtrennbar und eine im Vergleich zum Einzelblattkauf äußerst preisgünstige Bereicherung einer Graphiksammlung. In jedem Jahr wird es ein neues Thema geben. In der Startausgabe sind neben anderen die bekannten Holzschneider Grit Anton, Matthias Mansen, Roland Berger und Peter Zaumseil vertreten. Die junge Leipziger Künstlerin Miriam Zedelius und Niels Unbehagen, der ehemalige Leiter der Siebdruckwerkstatt der UdK Berlin, ergänzen mit ihren Siebdrucken den Kalender auf einer abwechslungsreichen Reise durch die Welt der Liebeslyrik.

Der Kalender kostet 160 Euro (zuzüglich Versandkosten als Päckchen ). Für Abonnenten wird ein Rabatt von 20 Euro gewährt. Bestellungen bitte an: Marc Berger, Brunnenstraße 163, 10119 Berlin, Mail: marcberger @schwarzdruck.de. Interessenten können vorab auch ein Faltblatt mit Abbildungen aller Graphiken bestellen.

Ursula Lang

Neue Lyrik aus Ungar von Sándor Tatár. Zweisprachige Ausgaben sind bei Sammlern beliebt. Die Auflagen sind klein, die Texte meist erlesen. Der junge Engelsdorfer Verlag aus Leipzig stellt jetzt mit einer solchen Ausgabe einen ungarischen Lyriker vor, an dessen Übertragung gleich eine ganze Schar von bedeutenden Übersetzern beteiligt ist: Sándor Tatár: A végesség kesernyés v… Endlichkeit mit bittrem Trost, übertragen von Annemarie Bostroem, Günther Deicke, Heinz Kahlau, Paul Kárpáti, Paul Alfred Kleinert, Richard Pietraß u.a., mit einem Nachwort von György Dalos (96 S. Pp. mit Umschl., 16 Euro, ISBN 3-939404-50-0). Tatár, Jahrgang 1962, ist Deutschland und der deutschen Literatur durch lange Studien- und Arbeitsaufenthalte und viele Übersetzungen (unter anderem von Angelus Silesius, Goethe, Kleist, Rilke, Hofmannsthal und Schnitzler) eng verbunden. Seine Lyrik lebt von der „Rückbesinnung auf unsere Einmaligkeit als Individuen“ und steht in der „Tradition von Dezsö Kosztolányi und Attila József“ (Dalos). Der Band enthält als Illustration zwei Graphiken von Volker Scharnefsky, einem Berliner Künstler (und Bibliothekar), der den Pirckheimern nahesteht. Interessenten erhalten bei ihm (Greifenhagener Straße 30, 10437 Berlin, 030-4457 457) zum Preis von 69 Euro eine Vorzugsausgabe mit einer signierten und numerierten Originallithographie (39 x 27 cm, Blattgröße, Aufl.: 25 Expl.), gedruckt von Peter Dettmann auf Hahnemühle Kupferdruckbütten.

 

Archiv und Bibliothek des Fritz-Hüser-Instituts Dortmund. Die Literatur- und Kulturgeschichte von Arbeitern, Angestellten und Arbeitslosen wurde von den großen wissenschaftlichen Bibliotheken jahrzehntelang nicht als Sammelgebiet anerkannt und in den Bereich der sozialen Trivialliteratur verbannt. So blieb dieses Gebiet Privatsammlern vorbehalten. Das heutige Fritz-Hüser-Institut entstand aus der Privatsammlung des Eisengießerlehrlings und späteren Direktors der Dortmunder Volksbüchereien Fritz Hüser (1908-1979). Mit dem Institut hat die Stadt Dortmund die Arbeiterkultur als einen genuinen Beitrag des Ruhrgebiets zur deutschen Gesamtkultur anerkannt. Bibliothek und Archiv des Instituts besitzen zur Zeit 27 000 Bücher, 1350 Zeitschriften, zahlreiche Nachlässe und personen- und sachthematische Sammlungen. Durch eine vorbildliche Publikation werden die Bestände erstmals einem größeren Kreis bekannt gemacht: Literatur und Kultur der Arbeitswelt. Inventar zu Archiv und Bibliothek des Fritz-Hüser-Instituts. Hrsg. von Rainer Noltenius. München: K. G. Saur, 2005. 420 S. Pp. 8°. 98 Euro. ISBN 3-598-11199-1. Das Inventar enthält umfangreiche Angaben zu den Beständen, die sachlich nach Gruppen geordnet und durch mehrere Register erschlossen werden. Aus der Sicht der Bücherfreunde seien genannt: der Nachlaß des Schriftstellers Max von der Grün, die Nachlässe der beiden Geschäftsführer der Büchergilde Gutenberg Bruno und Helmut Dreßler (durch diesen Bestand läßt sich die Geschichte des „Bildungsverbandes der Deutschen Buchdrucker“ und der daraus hervorgegangenen Büchergilde von 1924 bis 1999 erforschen) sowie Nachlässe von Teilnehmern der „Bruderschaft der Vagabunden“ (wie Hans Tombrock, über dessen Künstlerfreundschaft mit Bertolt Brecht im skandinavischen Exil in Marginalien, H. 179, 2005, eine ausführliche Rezension erschien), von literarischen Vereinigungen („Dortmunder Gruppe 61“ und „Werkkreis Literatur der Arbeitswelt“) und von „Arbeiter-Esperantisten“ (wie Josef Burger). Zum Thema Arbeiter als Büchersammler schrieb Willi Köhler am Beispiel zweier Zeitgenossen von Fritz Hüser einen lesenswerten Beitrag (Von Büchern, die zwei Arbeiter gesammelt haben, Marginalien, H. 53, 1974).

Dieter Schmidmaier

Nachlaß von Konrad Zuse. Das Deutsche Museum München erhält aus dem Privatbesitz der Familie den Nachlaß des Ingenieurs und Unternehmers Konrad Zuse (1910-1995). Zuse gilt als Erfinder des Computers und der Programmiersprachen für Rechenautomaten. Damit sind erstmals zahlreiche Dokumente zu Zuses bahnbrechenden Entwicklungen der Öffentlichkeit zugänglich. Mit dem Nachlaß kommen auch rund 250 Zeichnungen und Gemälde des Wissenschaftlers nach München, die in den Staatlichen Graphischen Sammlungen aufbewahrt werden. 1970 erschien Zuses Autobiographie Der Computer – mein Lebenswerk.

Dieter Schmidmaier

Handschrift des Renaissance-Malers Lorenz Stoer ediert. Eine der schönsten und wertvollsten neuzeitlichen Handschriften der Universitätsbibliothek München ist soeben in einer CD-ROM-Edition erschienen: Lorenz Stoer, Geometria et perspectiva: Corpora regulata et irregulata. Erlangen: Verlag Harald Fischer. ISBN 3-89131-433-7. Euro 88. Der Maler und Zeichner Lorenz Stoer, geboren um 1530 in Nürnberg und dort 1599 gestorben, wirkte ab 1557 in Augsburg, der anderen damals führenden süddeutschen Kunstmetropole. Mit ihren 454 kolorierten Federzeichnungen ist die Handschrift eine in jeder Hinsicht ungewöhnliche Quelle, die erst in den letzten Jahren „entdeckt“ worden ist. In immer neuen Konstellationen variiert Stoer darin mit viel Phantasie das Thema der geometrischen Körper, und das über rund 40 Schaffensjahre hinweg ohne erkennbare wesentliche Änderungen im Stil. Das erhaltene und nunmehr bekannte Œuvre Stoers übertrifft damit das seiner berühmten Nürnberger Zeitgenossen Wenzel Jamnitzer und Hans Lencker. Offensichtlich konstruierte Stoer, im Gegensatz zu diesen beiden, seine Polyeder ohne Hilfe eines Zeichenapparates.

Stoer steigert sich innerhalb der Handschrift von den eingangs lehrhaft dargestellten fünf regulären Polyedern und ihren Modulationen zu ungewohnten Formen und dekorativen Arrangements geometrischer Körpergruppen. Ein theoretisches Interesse und ästhetisches Gefallen an Fragen der Perspektive und geometrischer Körper ist unverkennbar. Ganz im Geiste des Manierismus werden Polyeder spielerisch zu teils skurrilen Gebilden zusammengesetzt, es dominiert die künstliche und ornamentale Wirkung dieser geometrischen Stilleben. Dazu kommt das Element der Farbe, denn die Zeichnungen sind ausnahmslos koloriert, ja teilweise von ausgesprochener Lust an der Farbe geprägt.

„Spekulative Köpfe können in Lorenz Stoer den Vorläufer des Konstruktivismus ebenso erkennen wie den Vorläufer eines konstruktiven Surrealismus“ (Eberhard Fiebig). So ist die Handschrift nicht nur ein bedeutendes historisches Monument des deutschen Manierismus, ihre zuweilen modern anmutenden Zeichnungen sind über 400 Jahre später auch für unseren heutigen Blick von großem Interesse und noch zu entdeckendem Reiz. In der Einleitung der Edition von Wolfgang Müller werden der Künstler und die bisher nahezu unbekannte Handschrift vorgestellt. Christopher S. Wood, Yale University, zeigt in einem Essay die Stellung von Stoers Werk im Umfeld der Arbeiten von Albrecht Dürer, Wenzel Jamnitzer, Hans Lencker und Vredeman de Vries.

Nachlässe von Irene und Hermann Henselmann. Die Handschriftensammlung der Sächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Dresden präsentierte im Internet zum 100. Geburtstag des Architekten Hermann Henselmann (1905-1995) dessen Teilnachlaß, der Ende der 1980er Jahre in die damalige Landesbibliothek Dresden gelangte. Die umfangreiche Sammlung von Manuskripten und Korrespondenz spiegelt den Zeitraum von den dreißiger bis zu den achtziger Jahren wider. Einen weiteren Teilnachlaß besitzt die Berliner Akademie der Künste. Dieser enthält Pläne, Modelle, Zeichnungen und Fotografien zum architektonischen Werk Hermann Henselmanns (zum Beispiel zu Bauten der Stalinallee 1951-56 und zum Berliner Fernsehturm 1964/65) sowie zahlreiche Manuskripte zu seinen journalistischen Arbeiten und Korrespondenz vor allem aus der Zeit seiner letzten Lebensjahre. Die 1915 geborene Witwe Irene Henselmann, die mit ihrem Ehemann mehrere Kinderbücher über die Geschichte des Bauens und 1995 ihre Memoiren Meine große Familie. An der Seite des Architekten geschrieben hat, übergab im vergangenen Jahr ihren Vorlaß dem Literaturzentrum Neubrandenburg e.V.

Dieter Schmidmaier

Archiv von Walter Kempowski. Die Berliner Akademie der Künste hat in diesem Jahr das Archiv des 1929 geborenen Schriftstellers Walter Kempowski übernommen. Bei dieser Sammlung handelt es sich, wie die am Erwerb beteiligte Kulturstiftung der Länder mitteilte, „um eines der bedeutendsten und materialreichsten Schriftsteller-Archive überhaupt“. Schon 1996 übergab Kempowski der Akademie sein „literarisches Archiv“, es folgen nun das 81 Regalmeter umfassende „fotografische Archiv“ und das 280 Meter umfassende „Archiv für unpublizierte Autobiografien“ mit über 8000 Lebensläufen, Biographien, Briefen und Erinnerungen von 1760 bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts. Kempowski ist ein besessener Sammler. Aus dieser Tätigkeit sind unter anderem das knapp 8000 Seiten umfassende Kollektiv-Tagebuch Echolot, die neunbändige Deutsche Chronik und sein Tagebuch des Jahres 1990 Hamit hervorgegangen.

Dieter Schmidmaier

Erstes in ostslawischer Sprache gedrucktes Buch in Görlitz. Im vergangenen Jahr erschienen zwei Beiträge, die auf eine sensationelle Entdeckung in der Oberlausitzischen Bibliothek der Wissenschaften zu Görlitz (OLBdW) hinweisen. Das Ereignis selbst liegt allerdings bereits einige Zeit zurück. In einer kleinen Ausstellung der OLBdW zum „Jahr der Bibel“ 2003 wurde der Görlitzer Pfarrer i. R. Peter Lobers auf eine russische Bibel aufmerksam, die er Dank seiner Sprachkenntnisse als ein Konvolut von Drucken Francysk Skarynas erkannte. Die einzigen in Deutschland nachgewiesenen Drucke Skarynas zeichnen sich durch ihren Umfang und eine hervorragende Erhaltung aus. Sechs der elf zu einem Konvolut zusammengebundenen alttestamentlichen Bücher wurden 1518, fünf der Bücher 1519 in Prag einzeln gedruckt und ausgeliefert. Mit Hilfe von Besitzvermerken und Katalogen läßt sich der Weg der Bibel von einem nicht näher bekannten Andreas Banck über den deutschen Reformator Johann Heß, den Bibliophilen Daniel Staude, die Bibliothek des alten Görlitzer Gymnasiums bis in die Sammlung Johann Gottlieb Milichs verfolgen. Der Schweidtnitzer Sammler und Gelehrte schenkte seine 4000 Bände umfängliche Bibliothek 1727 dem Görlitzer Gymnasium Augustum, dessen Bibliothek sich seitdem die „Milichsche Bibliothek“ nannte. In Christian Knauthes Historischer Nachricht von denen Bibliothecken in Görlitz (Görlitz 1737) findet sich eine erste Erwähnung der „Bibel in Moskowitischer Sprache“. Von der ersten weißrussischen Bibel und ihrem Übersetzer und Herausgeber wurde damit erstmals in einer deutschen Veröffentlichung Kenntnis genommen, sieben Jahre früher, als bislang bibliographiert. 1951 wurde die Milichsche Bibliothek mit der OLBdW vereinigt, und die Skaryna-Bibel gelangte in deren Besitz. Skarynas Bedeutung und die seiner Bibelübersetzung für die weißrussische Kultur entspricht etwa der Luthers für die deutsche. Skaryna stammte aus Litauen, hatte in Krakau die sieben freien Künste, danach in Kopenhagen und Padua Medizin studiert. Von Hause aus katholisch, war er reformatorischen Bestrebungen gegenüber aufgeschlossen. Das Wort Gottes jedermann zugänglich zu machen war eines ihrer Anliegen, das er begrüßte und sich zu eigen machte. 1517 ließ er sich in Prag nieder. Er begann mit dem Übersetzen einzelner Teile des Alten Testaments in die damals gängige Umgangssprache und ließ sie jeweils nach ihrer Fertigstellung drucken. Dieser Aufgabe widmete er sich zwei Jahre lang.

Bernd-Ingo Friedrich

Prolibri – ein genossenschaftliches Internetportal für antiquarische Bücher. Antiquare gehören zu den letzten klassischen Einzelhändlern, die nicht durch Konzerne und Ladenketten ersetzt worden sind. Nach der Einführung des Internets und der Etablierung von Datenverbünden für antiquarische Bücher kam es jedoch zu einigen bedrohlichen Entwicklungen. Die Betreiber von Internetplattformen begannen, Gebühren zu diktieren und die Antiquare in mancher Hinsicht als nachgeordnete Einrichtungen zu behandeln. Allgemeine Qualitätsstandards in der Beschreibung der Titel und in der Zuverlässigkeit der Lieferung und Verpackung gerieten ins Wanken. Außerdem sind immer stärkere Tendenzen zur Verramschung von alten und gebrauchten Büchern nicht zu übersehen.

Eine Antwort auf diese Entwicklung war die Gründung der GIAQ – Genossenschaft der Internet-Antiquare e.G. Sie versteht sich ganz allgemein als Interessenvertreterin der knapp 70 Mitgliedsfirmen. Bei allen geschäftlichen Veränderungen durch die führenden Internetplattformen will sie ein entscheidendes Wort mitreden. Hatten die Initiatoren der Genossenschaft anfangs noch gehofft, das zum Verkauf stehende Zentrale Verzeichnis antiquarischer Bücher (ZVAB) kaufen zu können, so wurde bald beschlossen, ein eigenes Internetportal, www.antiquariat.de, aufzubauen. Es steht allen interessierten Antiquaren, nicht nur den Genossenschaftsmitgliedern, offen und verspricht, Gebühren nur zur Kostendeckung zu erheben. Privatanbieter sind ausgeschlossen, und die Betreiber achten auch auf Mindeststandards in der Titelaufnahme. Die meisten bei prolibri vertretenen Antiquare haben ihre Bücher auch bei anderen Internetplattformen im Angebot, dort aber oft wegen größerer Einstellgebühren und Verkaufsprovisionen zu etwas höheren Preisen. Die GIAQ steht neuen Mitgliedern offen, es genügt ein einmaliger Erwerb von Genossenschaftsanteilen (500 Euro plus 50 Beitrittsgebühr) ohne weitere Folgekosten. Vorsitzende der Genossenschaft sind zur Zeit Jörg Mewes (Antiquariat Bergische Bücherstube, Overath) und Dr. Peter Rudolf (Versandantiquariat Dr. Peter Rudolf, Berlin). Die Geschäftsstelle sitzt in Berlin (13353 Berlin, Luxemburger Straße 31.

Der Aufbau von prolibri ist übersichtlich und gut strukturiert. Der Nutzer kann nach einzelnen Titeln, Sachgebieten und Themen suchen, aber auch bei den einzelnen Antiquaren stöbern. Separat werden Bücher, Graphik, Autographen, Kunst, Postkarten, Tonträger und Noten angeboten. Selbstverständlich gehört eine Warenkorbfunktion zum Service. Großen Wert legt prolibri auf die sukzessive Bebilderung der Angebote. Bereits heute enthält die Datenbank rund 100 000 Fotos von Einbänden und Umschlägen. Sehr bemüht ist man auch um Datensicherheit, denn es laufen vertrauliche Angaben via Internet, die nicht in fremde Hände kommen dürfen.

C. W.

 Erster Spatenstich für die Bibliothek der Humboldt-Universität Berlin. Wenige Monate nach der Grundsteinlegung zum Lesesaal der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz (vgl. Marginalien, H. 183, 2006, S. 107-108) erfolgte am 22. August 2006 nur wenige Meter von dem Gebäudekomplex der Staatsbibliothek der erste Spatenstich für die neue zentrale Bibliothek der Humboldt-Universität. Nach der Fertigstellung im Jahre 2009 wird die Berliner Hochschule als letzte Universität in Deutschland über ein eigenes Bibliotheksgebäude verfügen. Der Entwurf zu dem 75,5 Millionen Euro teuren Bau stammt von dem Schweizer Architekten Max Dudler. Er gewann den Wettbewerb mit einem skulpturalen Entwurf, dessen äußere Struktur die Form eines Bücherregals aufnimmt. Das Herzstück bildet ein Lichthof mit einem in seinen Ausmaßen einmaligen Lesesaal. Er ist im 100 Meter langen Gebäude 70 Meter lang, 12 Meter breit und 20 Meter hoch. Die Haupttreppe verläuft längs dieses terrassenförmig angelegten Saals und wird ab der oberen Etage nach außen verlagert. Das Gebäude beherbergt 2,5 Millionen Bücher, von denen der größte Teil in Freihandmagazinen aufgestellt wird, und umfaßt 1200 öffentliche Arbeitsplätze. Das Gebäude trägt nach der Inbetriebnahme den Namen „Jacob und Wilhelm Grimm-Zentrum“.

Dieter Schmidmaier

 

Subskriptionseinladung

Die Pirckheimer-Gesellschaft e.V. wird zu Beginn 2007 mit der Edition einer Graphikfolge WEGE – Neue Grafik beginnen. Mit dieser Edition soll auf vornehmlich junge Künstler aus ganz Deutschland aufmerksam gemacht und der editorischen und damit auch fördernden Aufgabe der Pirckheimer-Gesellschaft wieder mehr entsprochen werden.

Es ist geplant, jährlich zwei Blatt in unterschiedlichen graphischen Techniken aufzulegen. Die Gesamtauflage wird 40 Exemplare zuzüglich der Künstler- und Archivexemplare betragen. Jedes Blatt ist durch den Künstler / die Künstlerin signiert und numeriert. Das Blattformat wird zirka 48 mal 68 Zentimeter betragen. Mit den ersten beiden Blättern wird eine von Michael Knop (Berlin) handgefertigte Mappe geliefert, die auch alle späteren Ausgaben aufnimmt. Zu jeweils zwei Graphiken wird eine im Buchdruck hergestellte Vita der beteiligten Künstler/-innen geliefert. Die Gestaltung der Kassette übernimmt Prof. Matthias Gubig, Berlin.

Wir freuen uns, Ihnen als erste Blätter eine Lithographie von Antje Pehle sowie eine Radierung/Mischtechik von Hanna Hennenkemper präsentieren zu können.

Antje Pehle: Jahrgang 1979, 1999/2000 Studium u. a. der Theologie in Berlin, 2001-2003 u.a. Studium Malerei/Grafik – Fachrichtung Bildende Kunst Burg Giebichenstein, Professor Moehrke, 2003-2004 Erasmusaustausch Leeds (GB), seit 2004 Studium der Malerei an der Kunsthochschule Weißensee, Professor Schimansky, 2006 Diplomprüfung, Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen u.a. 2002 Hochschule für Kunst und Design (Halle), 2003 Universität für Musik und darstellende Kunst (Graz), Leeds City Art Galery (Leeds, GB), 2004 Flurgalerie (Berlin), 2005 Galerie Pankow (Berlin), Studio Bildende Kunst (Berlin), 2006 Kunsthochschule Berlin-Weißensee.

Hanna Hennenkemper: Jahrgang 1974, 1994-1998 Arbeitsaufenthalte in Namibia, USA und Rumänien, 1998/2001 Studium an der Grafikklasse in Kiel bei Ekkehard Thieme und Uwe Meyer-Weitmar, sei 2000 zusätzlich bei Barbara C. Tucholski, 2001 Wechsel an die Kunsthochschule Berlin-Weißensee zu Prof. Schimansky, dort 2004 Diplom, sei 2005 Meisterschülerin bei Prof. Schimansky, seit Wintersemester 2006 Werkauftrag für Druckgraphik ebendort. 2003 Gründung der Künstlervereinigung „Triade“ mit Marcus Wittmers und Henning Hennenkemper, 2004 Mitgründung der Künstlergruppe „Tennis-Elephant“ und der Projektgalerie „Andreas Wendt“. Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen (Auswahl): 2003 Galerie Pankow (Berlin), KunstWaren (Waren), Brecht-Haus Weißensee (Berlin), Kulturbrauerei (Berlin), Tuzla (Bosnien-Herzegowina), 2004 Städtische Galerie Iserlohn, Galerie Parterre, Ritterhöfe (beide Berlin), 2005 Galerie Pankow, Galerie Andreas Wendt, art-forum, Salon Vista (jeweils Berlin), Galerie U7 (Frankfurt/Main), 2006 Galerie Inga Kondeyne/Marianne Grob (Berlin), art-Karlsruhe (Karlsruhe), art-forum und Galerie Pankow (beide Berlin).

Die erste Lieferung einschließlich der handgefertigten Mappe und der beiden Graphiken wird zirka 95 Euro kosten, der Preis aller weiteren Blätter (pro Jahr zwei) soll 25 Euro je Blatt nicht überschreiten. Ihre Subskription richten Sie bitte schriftlich an Hans-Udo Wittkowski, 10577 Berlin, Seydlitzstraße 9 oder udowittkowski@arcor.de. Die Subskription verpflichtet zur Abnahme der Gesamtedition (12 Blätter).

 

Nach Redaktionsschluß

Werner Schuder gestorben. Am 20. Oktober 2006 ist der Verleger Werner Schuder sanft im Schlaf von uns gegangen. Wir werden dem Bibliophilen und Freund immer ein gutes Gedenken bewahren. Sein Leben und seine Verdienste um das Buch, die Bibliophilie, den Berliner Bibliophilen Abend, auch um die Pirckheimer-Gesellschaft sind zu seinem 85. Geburtstag in den Marginalien, H. 165. 2002, gewürdigt worden. Er wird in den von ihm herausgegebenen und initiierten Büchern weiter leben. – Ein Nachruf erscheint im nächsten Heft.

Wolfram Körner

Wehre den Anfängen! Oettingers Handschriftenverkauf. Einige Museen und Bibliotheken sind in den letzten Monaten unverschuldet in die Schlagzeilen geraten. In Krefeld soll die Sanierung des städtischen Museums durch den Verkauf eines Monet-Gemäldes finanziert werden. Noch ist diese Begehrlichkeit ein Präzedenzfall. Aber in vielen Kommunen ist die Finanzsituation so prekär, daß über derartige sittenwidrige Finanzierungsmodelle, Kunstwerke für Renovierungen oder An- und Umbauten zu verkaufen, immer öfter nachgedacht wird. In den letzten Jahren sind in Deutschland wie in keinem anderen europäischen Land Museen, Theater und Bibliotheken gebaut und der Öffentlichkeit übergeben worden, doch über die Betriebskosten wurde in den seltensten Fällen nachgedacht.

Ganz anders liegt der Fall der Badischen Landesbibliothek. Der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger behauptet, daß das Adelshaus Baden, weil in Not geraten, ihm gehörendes Museums- und Bibliotheksgut, das sich in Verwaltung des Landes befinde, ohne weiteres versteigern lassen könne. Um die Markgrafenfamilie zu entschulden und ihr Schloß Salem zu erhalten, sollen nun wertvolle Handschriften aus der Landesbibliothek mit einem Gesamterlös von 70 Millionen Euro verkauft werden. Dieses Ansinnen löste eine heftige politische Diskussion und weltweiten Protest von Wissenschaftlern, Bibliothekaren und Museologen aus. Die Erschließung, Katalogisierung und Restaurierung der wertvollen Bestände wird seit Jahrzehnten allein mit öffentlichen Mitteln betrieben. „Kein Finanzbedarf rechtfertigt das willkürliche Auseinanderreißen der unersetzlichen Bestände“, heißt es in einer Erklärung der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften. Daraufhin wurde ein neues Modell vorgelegt, demzufolge vorerst 30 Millionen Euro die adlige Insolvenz abwenden sollen, davon muß die Badische Landesbibliothek 1,5 Millionen aufbringen. Auch gegen dieses Modell regt sich Protest. In den letzten Wochen stellte sich überdies heraus, daß die Rechtslage und Provenienz der Kulturgüter viel komplizierter ist, als Oettinger behauptet. Einem Ondit zufolge geht es nicht um den Erhalt des Schlosses Salem, für den das baden-württembergische Finanzministerium mitverantwortlich ist, sondern um eine Finanzspritze für die von der Pleite bedrohten adligen Weingüter, Restaurants und Wälder.

Alles ist in Fluß. Täglich kommen neue Hiobsbotschaften und Vorschläge zum kulturellen Kahlschlag aus einem Land, das in den Massenmedien den Rest der Republik per Werbung seinen Wohlstand und seine Kultur anpreist! Wir bleiben bei Ovids „Wehre den Anfängen“ und fügen hinzu: „Was man begehrt und wünscht, ist man zu glauben bereit“. Vom 28. Oktober bis 25. November zeigte die Badische Landesbibliothek in einer Sonderausstellung über 30 der zunächst zum Verkauf vorgesehenen Rara.

Dieter Schmidmaier

Horst Hussel illustriert E. T. A. Hoffmann. Beim Berliner Verlag „Serapion vom See“ ist wieder ein originalgraphisches Buch zum alleinigen Hausautor erschienen: E. T. A. Hoffmann: Ritter Gluck. Mit acht sign. Radierungen von Horst Hussel. Ein Handpressendruck in Blei gesetzt in der 12 p Weiß Antiqua und auf 150 g Vélin gedruckt. 44 S., 26 x 18 cm. Handeinband mit Deckelprägung im Schuber. Auflage 80 num. Exemplar und 10 Künstlerexemplare. Berlin: Serapion vom See, 2006. 470 Euro. (Pirckheimer erhalten 10 Prozent Rabatt.) Die Graphiken kommen diesmal also von höchst prominenter Hand. Wenn der Begriff nicht so verbraucht wäre, könnte man Horst Hussel einen Künstler in der Klee-Nachfolge nennen. Aber der Effekt beim Beschauer ist ähnlich wie im Fall Klee: zunächst ach, wie witzig, dann ach, wie schön, zuletzt, ach, das ist ja richtig tiefsinnig. Horst Hussel illustriert diesmal ausgesprochen textnah, ist aber in der Bilderfindung erfrischend originell, eben ein echter Hussel.

Leider kann man in einer Besprechung keine Abbildungen zeigen, doch immerhin die Radierungen beschreiben. Ein klassisches Frontispiz sollte andeuten, worum es geht, hier um Musik, E. T. A. Hoffmann und Berlin. Hussel löst das so: Auf einer Woge von Noten schwimmt der Deutsche Dom am Gendarmenmarkt. Im Text schimpft der Ritter Gluck über die Oktavenjäger; im Bild schießen Notenpfeile andere Noten ab. Im Text dirigiert Gluck seine Musik, die Bilderfindung: eine dirigierende Hand wühlt in Kostbarkeiten. Jetzt folgen drei Radierungen aufeinander: Zunächst quält sich unter schwarzer Sonne der Künstler durch Widerstände und Leid. Dann ist er unter einem liebenden Auge in den Gefilden der Seligen. Nach Kampf und Katharsis folgt die Komödie, ein seltsamer Vogel (Gluck) nähert sich einem leicht beschwipsten Brandenburger Tor. Eine weitere Radierung zeigt Gluck, wie er den Marsch aus „Armida“ an der Oper abhört und zum Schluß ein unverkennbar Husselscher Gluck, erkennbar nur an den Rokoko-Klebelöckchen.

Im Nachwort von Michael Duske werden die Berlinbezüge aufgezeigt. In Stil und Inhalt versucht er dem Autor und dem Illustrator nahe zu kommen. Der Preis von 470 Euro erscheint zunächst recht hoch, aber ein Blick in Antiquariatskataloge zeigt: Zu diesem Preis einen Handpressendruck mit so vielen Originalradierungen von Hussel zu erwerben, ist nicht nur ein hohes Vergnügen, sondern geradezu eine Kapitalanlage.