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WELTHANDEL UND WORLD TRADE CENTER
Die Vernichtung des World Trade Center in New York am 11. Sptember 2001 hat eines der vitalsten Wirtschaftszentren nicht nur der USA sondern auch der gesamten Welt getroffen. Hier liefen dichte Buendel von Faeden zusammen und die Boersen der Welt reagieren nun mit drastischen Kursverlusten. Die New Yorker Boerse wird moeglicherweise bis Donnerstag einschliesslich geschlossen bleiben. Das spekulative Kapital, von dessen Laune wir abhaengig sind - ob wir wollen oder nicht, ist stimmungsmaessig auf dem Tiefpunkt. Auch wegen der ohnehin schon vorhandenen Krise.
Es liegt auf der Hand, dass alleine durch die materiellen Zerstoerungen
in New York eine noch nicht kalkulierbar hohe Milliarden-Dollar-Summe,
die vermutlich im dreistelligen Bereich liegen wird, an Schaden
entstanden ist. Die Lahmlegung der ganzen Metropole, der Ausfall des
gesamten Luftverkehrs, die Evakuierung von vitalen Gebaeuden weltweit -
der Verlust von vier Airlinern ist dagegen als "peanuts" zu
betrachten.
Der zweite Verlust ist virtuell, wird sich aber ebenfalls
dramatisch auswirken: der Datenverlust tausender Rechner, die weltweiten
Verbindungen im World Trade Center standen.
Aber auch tausende, wenn nicht zehntausende hochqualifizierter Fachleute
der Wirtschaft sind mit einem Schlag ums Leben gekommen. Viele werden
nicht leicht ersetzbar sein. Abgesehen von der menschlichen Tragoedie
nicht fassbaren Ausmasses reissen die nun fehlenden Qualifikationen und
Verbindungen dieser Menschen im wirtschaftlichen Sektor ein ungeheures
Loch in die Weltoekonomie, die ihre Orders weitgehend ueber New York
abwickelt. Neben dem materiellen Schaden an Immobilien und Infrastruktur
ist der menschliche Faktor ein weiterer X-Milliarden-Dollar-Faktor, der
moeglicherweise die materiellen Schaeden bei weitem ueberholt.
Wir koennen also annehmen, dass hier an zentraler Stelle ein so
ungemeiner Einbruch erfolgt, dass selbst die US-Wirtschaft davon schwer
angeschlagen ist, obwohl die Funktionen von New York sicher in einem
relativ kurzen Zeitraum auf einen anderen Knotenpunkt (oder mehrere)
uebertragen werden koennen. Bei der ohnehin dauerwackeligen Oekonomie
des Turbokapitalismus koennte diese Tatsache zu einer weltweiten
Springflut von Wirtschaftskatastrophen werden, die von New York ausgeht.
Die Vergeltungsmassnahmen die die US-Regierung mit Sicherheit
ergreifen wird, werden ein weiteres Milliardengrab - und vermutlich das
Grab vieler weiterer Menschen.
Geld ist kein Phantom. Das Tauschaequivalent muss, bevor es ausgegeben
werden kann, ersteinmal erwirtschaftet werden, ausgepresst, von anderen
Menschen und/oder auf deren Kosten ausgebeutet werden. Auf grosse
Verluste wird also mit Sicherheit eine haertere Gewinnstrategie folgen,
die sucht, diese Verluste wieder wett zu machen. Dies bedeutet eine noch
krassere folgenschwerere Ausbeutung fuer weite Gebiete dieser Welt durch
die vorherrschende kapitalistische Macht.
Wird Europas Kapital zunaechst in den Strudel des wirtschaftlichen
Verfalls gezogen, weil auch hier die Handelsbeziehungen gestoert sind
und neue immense Kosten zur Terrorismuspraevention auftauchen, wird es
doch langfristig von der (zeitweisen?) Schwaeche einer angeschlagenen
USA profitieren koennen - sofern es sich nicht selber in
Kriegshandlungen der USA einbinden und damit zur Ader laesst. Letzteres
ist jedoch stark zu befuerchten.
Die weltwirtschaftlichen Folgen der Vernichtung des World Trade Centers N.Y. sind also lange nicht absehbar und werden wahrscheinlich erst im Abstand von einem halben Jahr klarer erkennbar sein.
Unter dem entsetzlichen Eindruck des Anschlags in New York wird jedoch auch die "Nation" USA enger zusammenruecken und eine nationale Solidaritaet hergestellt, die alle klassenspezifischen Konflikte in der Gesellschaft fuer geraume Zeit ueberdecken wird - insbesondere, wenn es zu einer umfassenden Kriegshandlung durch die Entwicklung der Ereignisse kommen sollte. Die Zeiten fuer sozialen Wandel oder gar eine soziale Revolution werden also dementsprechend schlecht. Der Anschlag bedeutet einen Rueckschlag fuer jegliche sozialemanzipative Politik und den Weltfrieden..
Wir koennen uns also im kommenden Winter in jeder Beziehung warm anziehen.Kaum auszudenken, wenn die Terrorwelle erfolgreich weiter gehen sollte und moeglicherweise in aehnlicher Wirksamkeit auf Europa und andere Zentren uebergreift, beispielsweise Moskau, das mit mehreren muslimischen Teilrepubliken oder ehemaligen UDSSR-Republiken im Clinch liegt. Die Lunte am Pulverfass brennt. Nur wissen wir nicht, wo das Pulverfass versteckt liegt und wie lang die Lunte noch ist. Der Tanz auf dem Vulkan hat begonnen.
R@lf G. Landmesser [LPA]
Washington DC and N.Y. - Voices |