Terrorismus und Weltwirtschaft Wie die USA ihre geopolitische und wirtschaftlichen Interessen durchsetzen |
Momentan sieht kaum jemand die geopolitischen und wirtschaftlichen Gründe für ein Engagement der USA in Afghanistan. Hier einige Informationen dazu.
Notwendige Vorbemerkungen:
1.) Ich sympathisiere nicht mit Terroristen.
2.) Ich verfechte keine "globale Intrigen" oder Verschwörungstheorien.
3.) Ich bin unabhängig und keiner Partei verpflichtet.
4.) Ich bin Journalist und Wirtschaftsfachmann, speziell für den Nahen Osten
und Zentralasien.
5.) Ich kenne die Regionen, weil ich dort lebe.
Zusammenfassung
Die allgemeine politische Lage in der Welt konzentriert sich derzeit auf die Bewältigung der Terrorattacken in den USA. Die von der Bush-Rede vor dem US-Kongress ausgehende weltweite Terroristenbekämpfung wird Realität. Dabei wird derzeit aber völlig übersehen, dass dieses Szenario - Kampf gegen Bin Ladin und die Taliban - voraussehbar war und aus wirtschaftlichen und geopolitischen Gründen logisch ist.
Geopolitische Ambitionen der USA im kaukasisch-zentralasiatischen Raum
Eine detaillierte Analyse kann man anhand von Dokumenten und Gesetzgebungsverfahren in den USA selbst vornehmen, ich will mich hier vor allem auf einen Punkt konzentrieren: die Rolle der USA bei der Erschließung der Erdöl- und Erdgasreserven im Raum des Kaspischen Meeres.
Nach übereinstimmenden Bewertungen von Fachleuten ruhen im Raum das Kaspischen Meeres die zweitgrößten Energiereserven der Welt, die bisher bekannt sind. Es ist nicht ausgeschlossen, das diese Reserven noch sehr viel größer sind als bisher bekannt, auch wenn man den Raum noch größer annimmt, da bisher ja im wesentlichen nur vom Kaspischen Meer an sich und den nahem Uferzonen als Lagerstätten die Rede war und ist. Geologische Strukturen weisen aber darauf hin, dass auf dem östlichen Festland (also in Kasachstan, Turkmenistan, möglicherweise auch Usbekistan) noch große unbekannte Lagerstätten auf ihre Entdeckung warten.
USA-Konzerne, insbesondere Chevron, sind in dieser Region seit Jahren sehr
aktiv und investieren bislang mehr als 20 Milliarden US-$. Das
internationale Geflecht von Firmen rund um das Kaspi-Meer ist sehr
verworren, da alle Anrainerstaaten (mit Ausnahme Irans) frühere
Sowjetrepubliken waren. Das heißt: amerikanisches Engagement in dieser
Region zählt zu den herausragenden Säulen amerikanischer Außen- und
Wirtschaftspolitik, da es in erster Linie um einen "Kampf um strategische
Rohstoffe" geht, der in dieser Region noch den besonderen Aspekt hat, dass
die finanzstarken amerikanischen Konzerne sich auf die breite Unterstützung
durch das State Department stützen können, da sie direkt gegen russische
Interessen operieren. Der Bau der ersten Erdölleitung von Baku an das
Schwarze Meer (Poti in Georgien) und der gegenwärtige Bau der
wesentlichen größeren Leitung nach Poti ) die dann weiter nach Cayhan in
die Türkein führen soll) verschaffen einem Teil der Anrainerstaaten den
großen Vorteil, völlig unabhängig vom russischen Pipelinesystem Erdöl und
Erdgas weltweit zu verkaufen.
Doch dieser Weg hat in den Augen der USA-Strategen nur nachrangige
Bedeutung, da (und dies ist das Kuriose an der Baku-Poti-Leitung) die
Russen immer mit im Boot sitzen, da sie über ihren Firmenbeteiligung nicht
unerhebliche Anteile in fast allen Anrainerstaaten haben. Die USA
favorisieren eine Pipeline zum Indischen Ozean und zwar nach Pakistan.
Nach dem Ende der Kämpfe zwischen sowjetischen Truppen und den von
den USA unterstützen "islamischen Freiheitskämpfern" setzten die USA
große Hoffnungen auf die Realisierung dieses Planes, der ein
Investitionsvolumen von deutlich mehr als 15 Milliarden Dollar hat und
indirekt
(mit weiteren Investitionen in Fördergebiete) ein Volumen von 50 Milliarden
Dollar erreichen kann. Das Volumen der förderfähigen Mengen an Erdöl und
Erdgas beträgt aber eine Vielfaches dieser Investitionen. Doch die
Installation des Taliban-Regimes, der fortwährende Bürgerkrieg in
Afghanistan und schließlich die unverhohlene Ausrichtung des Taliban-
Regimes auf eine extreme Variante der Islam-Auslegung versetzten den USA
einen jahrelangen Dämpfer. Turkmenistan, das einzige Land der früheren
Sowjetunion, das sich nicht am internationalen Kampf gegen den
Terrorismus beteiligt (!), hat gegen den "Rat" der USA und Russlands die
Möglichkeiten des Erdölexportes über den Iran angenommen. Turkmenistan
steht aber in einer unheilvollen politischen Entwicklung, die
talibanfreundlich
ist und eine absolutistische Diktatur des gegenwärtigen turkmenischen
Präsidenten ist. Obwohl alle Nachbarstaaten Afghanistans in den letzten
Jahren bereits oder nun in den letzten Tagen ihre Grenzen zu Afghanistan
geschlossen haben, konnte sich Turkmenistan zu
diesem Schritt nicht entschließen. In der Region ist es ein offenes
Geheimnis, das die in Afghanistan ausgebildeten Terroristen über
Turkmenistan problemlos in alle Welt gelangen können. Die alten
Schmuggelwege über Turkmenistan werden sehr aktiv genutzt, um vor allem
Rauschgift nicht nur über die Achse Tadschikistan-Usbekistan-Kasachstan
zu verteilen.
Trotz aller Bemühungen ist es den USA seit vielen Jahren nicht gelungen, die
Taliban zu einer Kursänderung zu bewegen. Trotz vieler Millionen
Hungerhilfe, trotz Hilfe bei landwirtschaftlichen Projekten waren die
Taliban nicht bereit, von ihren extremistischen Positionen, für die sich
kaum ein Argument im Koran findet (!), abzuweichen. Damit stand seit etwa
zwei Jahren bereits in den strategischen Denkstuben der USA fest: Die
Taliban müssen beseitigt werden! Die doch relativ schnellen
"Fahndungserfolge" des FBI lassen den Schluss zu, dass es durchaus vor
den Anschlägen Informationen gab, denn es ist unvorstellbar, dass aller
Geheimdienste dieser Welt ahnungslos waren. Wenn dies so wäre, dann
verwundert das noch mehr, dass so kurzfristig erste Informationen über die
Attentäter vorlagen.
Folgen des USA-Engagement in Afghanistan
Genau genommen haben die USA (indirekt auch für ihre Verbündeten)
Afghanistan und den Taliban den Krieg erklärt. Es scheint ausgeschlossen,
dass die Taliban auch nur die Spur einer Chance hätten, den Angriffen der
Alliierten zu entgehen. Damit ist das Schicksal der Taliban besiegelt: Sie
werden beseitigt, und zwar so gründlich, dass in der Region Friedhofsruhe
einzieht. Nach allgemeinen Informationen zählen die Taliban etwas 40.000
Mann, mehr beherrschen das Volk nicht! Bin Ladin hat in Afghanistan etwa
3.000 bis 6.000 Mann unter Waffen, die aber nicht zu den Taliban gehören
sondern unabhängig von den Talibanstrukturen existieren und agieren. Das
afghanische Volk hat mit der extremen Koranauslegung der Taliban nichts im
Sinne, dennoch ist zu befürchten, dass ein Teil der Bevölkerung aufgrund der
doch sehr extremen Propaganda der Taliban auf deren Linie eingeschwenkt
sind. Verlässliche Angaben darüber gibt es nicht, auch die
Geheimdienstkreise sind auf Annahmen angewiesen (eventuell mit
Ausnahme des Russischen Geheimdienstes, der aber längst nicht alle
Territorien in Afghanistan abdeckt!). Es ist aber zu befürchten, dass sich
die
radikalen Extremisten längst nach Turkmenistan abgesetzt haben und von
dort aus in andere arabische Staaten erreicht haben. Dies bedeutet nur,
dass von einer Zerschlagung der terroristischen Netzwerkstrukturen in
absehbarer zeit nicht die Rede sein kann, da niemand weiß, wer die
eigentlichen führenden Köpfe dieser Netzwerkstruktur sind. Namen gibt es
allenfalls drei bis fünf, aber keinerlei detaillierte Beweise über deren
Beteiligung an Terrorakten bzw. deren Vorbereitung.
Der zweite Punkt, der für die USA von immenser Bedeutung ist, wäre die
Tatsache, dass in Kürze eine den USA freundlicher gesonnene Regierung in
Afghanistan installiert werden kann. Dies ermöglicht dann den USA-
Konzernen, die seit 1990 etwa geplante Pipeline nach Pakistan endlich zu
bauen und die Ausbeutung der kaukasisch-zentralasiatischen
Energiereserven zu forcieren. Ein gigantisches Geschäft wird damit möglich.
Es zeigt dann sehr deutlich, wie eng die Verflechtung zwischen Konzernen
und Regierungen in den USA ist und wie eng man Hand in Hand arbeitet. (Es
sei anderen vorbehalten, mögliche Beziehungen zwischen Terrorattacken
und amerikanischen Konzernen aufzudecken, aufgrund meiner
zentralasiatischen Erfahrungen kann ich mir
durchaus vorstellen, wie dieser Beziehungen funktionieren, aber dazu gibt es
natürlicherweise keinerlei Informationen der Beteiligten!)
Es ist jedenfalls erstaunlich, wie viele verschiedene Fragen und Probleme
die USA in der Folge der Terrorattacken beantworten und lösen können. Ihnen
fällt der Schlüssel für kaukasisch-zentralasiatische Region quasi von selbst
in die Hand, sie nehmen Iran noch mehr in die Zange, sie stehen noch dichter
am Irak, sie beeinflussen die künftige Außenpolitik Russlands deutlich
stärker als zuvor (wobei gleichzeitig natürlich auch die Russen profitieren,
denn wer wird es jetzt noch wagen, etwas gegen ein sehr viel härteres
Vorgehen der russischen Antiterrorstreitkräfte in Tschetschenien
einzuwenden?). Außerdem steht nun in Frage, ob die beiden geplanten
Pipelines nach Westchina (eine durch Kasachstan, die andere durch
Usbekistan und Kirgistan) jetzt noch wie vorgesehen gebaut werden und ob
die russische Leitung von Sibirien nach China als Konkurrenzprojekt noch
Bestand hat. Die amerikanischen Strategen (die im übrigen namentlich kaum
bekannt sind!) haben jetzt aber noch viel mehr in der Hand: der Zugang zu
einem künftig mehr demokratischen Pakistan, wobei die USA auf den Faktor
Demokratie in Zukunft verzichten können, wenn der neue gemeinsame
Nenner Terrorismusbekämpfung ausreichend ist. Dies bedeutet auch
gewaltigen Einfluss auf dem gesamten indischen Subkontinent, denn damit
wird auch die Kaschmirfrage reif für eine Entscheidung. Auf der anderen
Seite der Berge können die USA ihren Einfluss vor allem im strategisch
wichtigen Usbekistan verstärken, sozusagen als Gegengewicht zu den
aktuellen, vor allem wirtschaftlich gebotenen neuen Beziehungen zu
Russland. Dahinter steckt aber dann immer noch die Mär von dem "Reich
des Bösen", womit statt der Sowjetunion nun Russland gemeint ist. Und die
USA brüskieren damit aber auch die Europäische Union, die große Mittel für
die kaukasisch-zentralasiatische Region bereitstellte, um die Abhängigkeit
von russischen Verkehrs- und Transportwegen zu beseitigen, aber im
Gegensatz zu den USA keinen entscheidenden politischen Einfluss in der
gesamten Region erzielen konnte.
Im Endeffekt zeigt sich heute deutlicher denn je für aufmerksame politische
Beobachter, dass es seit 1989/90 keinerlei Änderung in der amerikanischen
Position gegenüber anderen Staaten gegeben hat. Im Gegenteil: Die
Methoden sind feiner geworden, die Aktionen komplexer und internationaler.
An sich ist das nicht beunruhigend, wenn da nicht ein alles entscheidender
Punkt wäre: Wer es sich jetzt wagt, gegen die Rolle der USA oder gegen die
USA an sich auch ein Fünkchen Kritik zu üben, ist automatisch ein Terrorist.
Michael Schneider us123456@about.com
(Anmerkung: Aus Platz- und leseökonomischen Gründen habe ich auf möglichst viele fremdländische Namen und Quellenangaben verzichtet, wer will, kann ja unter den entsprechenden Stichworten im Internet suchen. Die meisten Informationsquellen sind in englisch, aber auch in deutsch sind einige verfügbar.)[[/i]]